Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Ausprägung und Symptome verschiedener Angstformen

Furcht vor Dunkelheit, Monstern etc.

Wenn Kinder sich vor der Dunkelheit, dem Alleinsein, Stürmen, Tieren, Monstern oder Fremden fürchten, können die Eltern durch tröstende Zuwendung und körperliche Nähe zunächst dem akuten Angstzustand seine Bedrohlichkeit nehmen. Im nächsten Schritt können sie ihrem Kind anbieten, gemeinsam der Ursache für die Angst auf den Grund zu gehen. Indem sie auf die Befürchtungen ihrer Kinder eingehen, helfen sie ihnen am besten, deren Ängste zu verstehen und zu überwinden.

Gelingt es Eltern über einen längeren Zeitraum nicht oder nicht mehr, durch Gespräche und Zuwendung die Angst ihrer Kinder auf ein „normales“ Maß zu reduzieren, sollten sie beim Kinder- und Jugendpsychiater Hilfe suchen.

Nachtschreck

Circa 3 bis 6% der Kinder erleben so genannte Nachtschrecke (Pavor nocturnus). Diese treten meist ein bis vier Stunden nach dem Einschlafen auf. Der Nachtschreck lässt die Kinder mit einem Schrei aus dem nächtlichen Tiefschlaf aufschrecken. Sie sind schweißgebadet, nicht ansprechbar und ihr Herz rast vor Angst. Häufig lassen sie sich nicht anfassen und schlagen um sich. Dann versinken sie ebenso plötzlich wieder in Tiefschlaf und können sich am nächsten Morgen im Gegensatz zu Alpträumen an nichts mehr erinnern.

Diese Schlafstörung hinterlässt keine Schäden und steht in der Regel nicht in Zusammenhang mit einer psychischen Störung, sondern mit der Entwicklung des Zentralen Nervensystems (ZNS). Eine Art Übererregung des noch nicht voll entwickelten Nervensystems während des Schlafs löst einen Nachtschreck aus. Übermüdete oder kranke Kinder neigen eher zu der Entwicklung eines Nachtschrecks. Auch Medikamente oder das Schlafen in einer fremden Umgebung können einen Nachtschreck provozieren.

Eltern sollten leise auf ihr Kind einreden, ihm versichern, dass es in Sicherheit ist und dafür sorgen, dass es sich nicht verletzen kann. Ein Kind in dieser Phase aufzuwecken, ist wenig sinnvoll, da es dann orientierungslos sowie verwirrt ist und schwer wieder einschläft. Durch regelmäßige Zubett-Geh-Zeiten, die Reduktion von Stress oder Übermüdung und die Einführung von Einschlafritualen lassen sich die Anfälle verringern.

Treten die nächtlichen Anfälle häufig auf, sollten Eltern ihrem Kinder- und Jugendarzt davon berichten. Er kann gegebenenfalls zu einem Kinder- und Jugendpsychiater überweisen. Speziell im Vorschulalter kann ein nächtliches Hochschrecken auf unverarbeitete Probleme und Ängste des Kindes hinweisen.

Trennungsängste

Kinder im Alter zwischen ungefähr 7 Monaten und dem Vorschulalter können Angst haben, sich von der Mutter/dem Vater zu trennen insbesondere in einer ungewohnten Umgebung. Das gehört beim Großteil der Fälle zu einem normalen Entwicklungsprozess. Wenn Kinder jedoch dazu übergehen, ständig die Anwesenheit der Mutter/des Vaters zu kontrollieren oder sich weigern, in den Kindergarten oder in die Schule (Schulvermeidung) zu gehen, deutet dies auf problematische Trennungsängste hin. Trennungsängste können nach einem belastenden Ereignis wie dem Tod eines Haustiers oder eines Verwandten, einem Kindergarten-/Schulwechsel oder einem Umzug in eine neue Umgebung bevorzugt auftreten. Wenn die Ängste ausgeprägt sind oder sich verstärken und die täglichen Aktivitäten und Erfahrungen der Kindheit - wie zum Beispiel von den Eltern vorübergehend getrennt zu werden, regelmäßiger Schulbesuch, sowie Freunde gewinnen - beeinflusst werden, sollten die Eltern eine professionelle Einschätzung durch einen Kinder- und Jugendpsychiater wahrnehmen.

Ein Kind oder Jugendlicher mit schweren Trennungsängsten könnte die folgenden Auffälligkeiten zeigen:

  • Konstante Gedanken und Ängste bezüglich der eigenen Sicherheit und/ oder der der Eltern
     
  • Vermeidung des Kindergarten/ Schulbesuchs
     
  • Vermeidung des alleinigen Besuchs von Freunden
     
  • Häufige Magenschmerzen und andere körperliche Beschwerden
     
  • Starke Ängste außerhalb des Elternhauses zu übernachten
     
  • Sehr anhängliches Verhalten zu Hause
     
  • Panik oder Anfälle ("Koller", "Rappel") bei der Trennung von den Eltern

Bei diesen Anzeichen sollte ein Kinder- und Jugendpsychiater aufgesucht werden. Mehr Informationen zu Trennungsängsten bei Schulkindern sind im Artikel „Schulvermeidung“ zusammengetragen.

Leistungsängste & soziale Angst

Zwischen dem 6. und 12. Lebensjahr können sich (parallel mit dem Schuleintritt) Leistungsängste, also der Sorge vor unerfüllbaren Leistungsanforderungen und soziale Angst (soziale Phobie), die mit Scheuheit im Sozialkontakt mit Mitschülern oder Lehrern einhergeht, entwickeln. Zu einer bestehenden Trennungs- oder Verlustangst können diese Ängste auch hinzutreten. Dabei fürchtet sich das Kind vor reellen Situationen, nämlich Demütigungen, Blamagen oder Aggressionen von anderen Kindern, einem schlechten Abschneiden in der Schule.

Bei Leistungsängsten zeigen betroffene Kinder eine ausgeprägte Prüfungs- und Versagensangst. Dabei bereitet den Kindern weniger die Prüfungssituation an sich Angst, sondern vielmehr ihre gedankliche Vorstellung von einem drohenden Misserfolg. Sie sind bereits lange vor einer anstehenden Prüfung aufgeregt, machen sich große Sorgen und neigen zu extrem pessimistischen Annahmen, dass sie es nicht schaffen werden oder sich blamieren. Gefühle der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung, eine besorgte und bedrückte Stimmung dominieren. Typische körperliche (bzw. psychosomatische) Anzeichen sind Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall am Morgen des Prüfungstages, Kopfschmerzen, Schweißausbrüche, Zittern, Harndrang, Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Bei manchen Jugendlichen kommt es direkt während der Prüfung zu einem „Black-out“; sie können auf einmal nicht mehr richtig denken bzw. sich konzentrieren. Bei dieser Form der Prüfungsangst fehlt ganz oder weitgehend die Versagensangst vor der Prüfung.

Sozial ängstliche Kinder nehmen sich typischerweise in vielen Lebensbereichen stark zurück, in denen sie fürchten, einer prüfenden Betrachtung ausgesetzt zu sein und die Erwartungen anderer nicht zu erfüllen. Die sozialen Ängste können in den jeweiligen Situationen belastende körperliche und gedankliche Begleiterscheinungen hervorrufen. Neben Beschwerden wie Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, Schwindel, Übelkeit oder Atemnot fürchten beispielsweise auch manche, erbrechen zu müssen.

Die Angstsymptome führen dazu, dass soziale Situationen oder Situationen mit Leistungsanforderungen mit erhöhter emotionaler Belastung verbunden sind und vermieden werden, um sich die damit verbundenen unangenehmen Empfindungen zu ersparen. Geben schulpflichtige Kinder- oder Jugendliche diesem Impuls nach, folgt dieser Schulangst in manchen Fällen die Schulvermeidung. Mehr Informationen zur Schulangst bei Kindern und Jugendlichen sind im Artikel „Schulvermeidung“ zusammengetragen.

Sind diese Ängste ausgeprägt, sollte ein Kinder- und Jugendpsychiater aufgesucht werden.

Panikstörung

Eine Panikstörung ist eine häufige Angststörung bei älteren Jugendlichen, sie kann aber auch im Kindesalter vorkommen. Bei Betroffenen mit einer Panikstörung treten wiederholte, unerwartete oder auch situationsbezogene Panikattacken mit begleitenden körperlichen Symptomen wie "Herzklopfen" oder Erstickungsgefühl auf. Die Attacken können Minuten bis zu Stunden dauern und treten oft ohne Vorwarnung auf. Eine Panikstörung bei Kindern und Jugendlichen sollte durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt werden.

Ängste bei Depression

Auch Kinder mit einer Depression leiden häufig unter Ängsten. Depressive Kindergartenkinder zeigen oft eine starke Trennungsangst und eine verminderte Selbstständigkeit, ältere Kinder haben Angst vor dem Tod und beschäftigen sich übermäßig damit. Neben den Ängsten haben depressive Kinder weitere Symptome, beispielsweise weinen sie manchmal ohne ersichtlichen Grund, trauen sich nichts zu, wirken bedrückt und oder gereizt. Depressionen bei Kindern oder Jugendlichen sollten durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie abgeklärt und behandelt werden.
Mehr Informationen zur Depression bei Kindern und Jugendlichen sind im Artikel „Depression“ zusammengetragen.

Fachliche Unterstützung: Prof. Dr. med. Johannes Hebebrand, Essen (DGKJP)