Erwachsene mit einer Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leiden unter Konzentrationsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität. Um besser mit den ADHS-Symptomen klarzukommen, entwickeln viele erwachsene Betroffene Strategien und holen sich meist erst ärztliche Hilfe, wenn sie Probleme im beruflichen und privaten Leben haben. Oft ist dann aufgrund des hohen Leidensdrucks eine Pharmako- und/oder Psychotherapie indiziert. Prof. Alexandra Philipsen, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn (UKB) und Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn, äußert sich zu aktuellen Forschungsergebnissen.
Können laut der COMPAS-Studie, die unter Ihrer Leitung durchgeführt wurde, Methylphenidat und psychotherapeutischen Interventionen Betroffenen helfen. Was liefert die besten Therapieergebnisse?
Prof. Philipsen: „Auf die Kernsymptome der ADHS wirken die Medikamente, in unserer Studie Methylphenidat, am besten. Aber im Hinblick auf Alltagsfunktionalität und allgemeine Wirksamkeit finden sich Vorteile durch eine Kombination aus Medikation und einer strukturierten Verhaltenstherapie – hier dialektisch behaviorale Gruppentherapie, kurz DBT – mit Elementen von Achtsamkeit, Gefühlsregulation und Fertigkeiten zur Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen.“
Bisher wurde der Einfluss Therapietreue und Behandlungsakzeptanz auf die klinischen Ergebnisse bei Erwachsenen mit ADHS nicht betrachtet. Der kürzlich erschienene Fachartikel in der Fachzeitschrift „Psychotherapy and Psychosomatics“ schließt diese Lücke. Was sind die Ergebnisse Ihrer Studie?
Prof. Philipsen: Unsere Ergebnisse zeigen klar, dass es sich – gerade bei ADHS – lohnt ein besonderes Augenmerk auf die regelmäßige Teilnahme an der Therapie zu legen sowie bei der tatsächlichen Anwendung und Erprobung der vermittelten Strategien oder Skills im Alltag therapeutisch sinnvoll zu unterstützen. Je mehr diese auch angewendet wurden, desto besser war der Therapieerfolg vor allem im Hinblick auf das allgemeine Wohlbefinden. Sport und Achtsamkeit wurden von den Teilnehmenden übrigens als besonders hilfreich erlebt und die Information über mögliche weitere Begleiterkrankungen wie Depression sehr geschätzt. Interessant ist auch, dass die Medikation als weniger wirksam eingeschätzt wurde, wenn keine strukturierte Gruppentherapie begleitend angeboten wurde, das heißt auch keine neuen Strategien zum konkreten Umgang mit Alltagsproblemen vermittelt wurden und damit auch nicht von den Teilnehmenden zur Anwendung kamen.
Ganz neu ist jetzt der jetzt erschienene Übersichtsartikel zu ADHS in der Fachzeitschrift Nature Prime Reviews, bei der sie deutschlandweit als einzige Co-Autorin beteiligt sind. Welchen Part übernehmen Sie?
Prof. Philipsen: Wir Autoren und Autorinnen haben unseren wissenschaftlichen Schwerpunkten entsprechend unterschiedliche Kapitel federführend bearbeitet, aber natürlich den gesamten Text kritisch diskutiert und korrigiert. Meine Hauptverantwortung im Manuskript lag auf dem Behandlungsteil und hier vor allem der psychotherapeutischen Behandlung sowie auf dem Einfluss der ADHS auf die Lebensqualität, die beispielsweise durch Schwierigkeiten in Ausbildung und Beruf oder konflikthafte zwischenmenschliche Beziehungen beeinträchtigt sein kann.
Wie sieht Ihr Fazit für die heutige Therapie von Erwachsenen mit ADHS aus?
Prof. Philipsen: Mein Fazit ist, dass wir zwar einerseits sehr gute medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten haben, aber doch alle therapeutischen Möglichkeiten wie zum Beispiel die strukturierte DBT-basierte Gruppentherapie oder regelmäßige körperliche Aktivität gerade im Hinblick auf die Alltagsfunktionalität und auch Zufriedenheit der Patienten und Patientinnen nutzen sollten. Die Behandlung sollte einerseits transparent und aufklärend sein, auf der anderen Seite motivierend und abwechslungsreich, um die regelmäßige Teilnahme und den Transfer der Strategien in den Alltag zu fördern – für einen bestmöglichen Erfolg unserer Patienten und Patientinnen.
Quelle: Universitätsklinikum Bonn