Mädchen sind offenbar anfälliger als Jungen in die Rolle des Opfers, das gemobbt wird, zu geraten. Das ist das Ergebnis einer Studie von britischen Psychologen, die über 400 Kinder von 17 Grundschulen in Hertfordshire und im Norden Londons beobachteten. Die Untersuchung wurde im British Journal of Developmental Psychology veröffentlicht. Professor Dieter Wolke und seine Kollegen von der Warwick Medical School interviewten die Kinder im Alter zwischen sechs und neun Jahren, und dann noch einmal, sobald die Kinder das sechste Schuljahr erreicht hatten, ihre Eltern sollten einen Fragebogen zu ihrem Verhalten und ihrer Gesundheit ausfüllen. Es interessierte die Forscher, welche individuellen Faktoren oder welche Umstände das Risiko der Kinder erhöhte, zu einem Mobbing-Opfer zu werden bzw. eines zu bleiben.
Von den 663 Kindern, die anfangs teilnahmen, nahem 432 bis zum Abschluss der Studie teil. Die 44 Mädchen, die schon zu Beginn der Untersuchung zu den Opfern gehörten, die körperlich oder verbal, z.B. durch Beschimpfungen, von ihren Klassenkameraden tyrannisiert wurden, hatten ein mehr als doppelt so großes Risiko auch weiterhin unter dieser Ausgrenzung zu leiden. Im Gegensatz dazu hatten Jungen, die bei der ersten Befragung im Alter von sechs, acht oder neun Jahren Opfer waren, ein ähnlich großes Risiko wie ihre unbehelligten Altersgenossen, später auch noch darunter zu leiden. Das heißt, Mädchen rutschten anscheinend besonders leicht in die Opferrolle und hatten es schwerer, sich davon zu befreien. Wenig soziale Anerkennung durch die Gleichaltrigen (z.B. indem Betroffene nicht zu Sportgruppen gewählt werden oder ihnen keine stellvertretenden Aufgaben z.B. als Klassensprecher anvertraut werden) machten eine unglückliche Position bei Gleichaltrigen wahrscheinlicher.
Mädchen verharren eher in alten StrukturenForscher vermuten, dass die teilweise bereits eng geknüpften starren sozialen Netzwerke unter Mädchen es ihnen erschweren, aus ihrer Rolle auszubrechen. Ein weiterer Faktor, der das Risiko für Mobbing sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen erhöhte, waren auch wenige Freundschaften zu Gleichaltrigen.
Prof. Wolkes Team ermittelte in der Arbeit darüber hinaus, dass mit zunehmenden Alter Kinder immer öfter einen Klassenkameraden aus ihrer Klassengemeinschaft „rausekeln“. Dies spiegelt nach Meinung der Wissenschaftler auch die wachsende Fähigkeit der Kinder zu manipulieren wider. Kinder, die anfangs zu den „Outcasts“ gehörten, hatten aber kein höheres Risiko, später ebenso aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Die Psychologen gehen davon aus, dass Freundschaften sich in der Grundschule in meisten Fällen noch sehr ändern, was es erleichtert, einem früheren gesellschaftlichen Ausschluss zu entkommen. Doch sie räumen ein, dass die Kinder, die ihre Teilnahme an der Studie vorzeitig beendeten, unverhältnismäßig häufig zu den Außenseitern in einer Klassengemeinschaft gehörten und vielleicht deshalb auch die Schule verließen, so dass sie nicht mehr als Probanden zur Verfügung standen.
Insgesamt hatten Kinder mit emotionalen Problemen und Kinder in Klassen mit starren gesellschaftlichen Hierarchien ein höheres Risiko, gemobbt zu werden.