Kinder mit einer Lese-Rechtschreibstörung (Legasthenie) haben massive Probleme beim Lesen und Rechtschreiben. Mögliche Anzeichen finden sich oft schon vor dem Eintritt in die Schule. „Als Ursachen einer Legasthenie werden eine gestörte Verarbeitung von Lauten und Buchstaben und ihre Zuordnung zueinander, eine genetische Veranlagung sowie veränderte Hirnfunktionen angenommen. Speziell die eingeschränkte Verarbeitung von Sprachinformationen ist oft schon im Vorschulalter erkennbar“ berichtet Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) in Berlin. „Dies zeigt sich beispielsweise durch Probleme bei der Unterscheidung von Lauten und Silben, beim Finden von Reimwörtern und bei der Zuordnung von Lauten zu Buchstaben. Daher ist bereits Frühförderung von diesen Fähigkeiten zum Ende der Kindergartenzeit als Prävention einer Legasthenie zu empfehlen. Dies kann spielerisch im Kindergarten als auch durch die Eltern durchgeführt werden“, empfiehlt Prof. Schulte-Körne. Außerdem lässt sich bei vielen betroffenen Kindern eine geringe auditive Merkfähigkeit beobachten, sie können abgespeicherte Informationen nur verlangsamt und meist ungenau aus dem Gedächtnis abrufen. Erstmals diagnostiziert werden kann eine Lese-Rechtschreibstörung erst im Schulalter. Sie tritt als isolierte Lesestörung, Rechtschreibstörung oder kombinierte Lese- und Rechtschreibstörung auf. Bei der Legasthenie handelt es sich wie auch bei der Dyskalkulie (Rechenstörung) um eine schulische Entwicklungsstörung. Hiermit bezeichnet man nicht eindeutig erklärbare Leistungsminderungen in bestimmten Funktionsbereichen, die zur Bewältigung komplexer Lernaufgaben wie Lesen, Schreiben und Rechnen notwendig sind. „Die Intelligenz ist hierbei unbeeinflusst, Legasthenie hat also keineswegs etwas mit mangelnder Intelligenz zu tun“, betont der der Kinder- und Jugendpsychiater, der die Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Klinikum der Universität München leitet. Betroffene Kinder lernen nur äußerst mühsam Lesen, lesen stockend, verlangsamt und undeutlich, lassen Wörter aus oder ersetzen Wörter durch sinnverwandte Wörter. Oft ist das Leseverständnis beeinträchtigt, d. h. sie können den Sinn des Gelesenen nicht wiedergeben. Bei der Rechtschreibung lassen sich bis ins Erwachsenenalter viel Fehler beobachten, die nicht nur im Fach Deutsch, sondern auch in den Fremdsprachen auftreten. „Hinzu kommt, dass sich diese Kinder aufgrund der großen Anstrengung, die sie beim Lesen und Schreiben aufwenden müssen, nicht so lang konzentrieren können und schneller unruhig werden als ihre Mitschüler“, ergänzt der Experte. Kinder mit Lese-Rechtschreibstörung erleben im schulischen Bereich viele Misserfolge, weswegen anfänglich hochmotivierte Schüler früher oder später Resignation bzw. Lernunlust entwickeln können. „Betroffene fühlen sich oft minderwertig, ihr Selbstbewusstsein wird beeinträchtigt, nicht selten werden sie zu Mobbing-Opfern. Einige verspüren Versagensängste bis hin zur Schulangst“, erläutert Prof. Schulte-Körne. „Diese psychischen Auswirkungen können durch Kopf- und Bauchschmerzen vor Klassenarbeiten durch vermehrte Traurigkeit und Lustlosigkeit oder auch durch aggressives Verhalten zeigen.“ Kinder mit Legasthenie weisen nachweislich mehr Störungen im sozialen und emotionalen Bereich auf als nicht betroffene Kinder. Wichtig ist es daher, eine Lese- und Rechtschreibstörung frühzeitig zu erkennen und gegebenenfalls begleitende psychische Probleme zu behandeln. Eine Legasthenie kann man in der Regel nicht heilen, aber mit Hilfe einer gezielten und frühen Förderung bei speziell ausgebildeten, zertifizierten Therapeuten lassen sich die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben verbessern. Bei nachgewiesener Lese- und Rechtschreibstörung können, abhängig vom jeweiligen Bundesland, verschiedene schulrechtliche Möglichkeiten in Anspruch genommen werden, um Betroffene zu entlasten. Laut dem Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. weisen in Deutschland schätzungsweise 4 bis 5% aller Kinder eine Lese-Rechtschreibstörung auf, Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. In seltenen Fällen tritt eine Lesestörung oder eine Rechtschreibstörung isoliert auf.
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