Die Übergänge zwischen normalem Mediengebrauch und krankhaftem Nutzungsverhalten von Computern bei Jugendlichen sind fließend. Es gibt jedoch Anzeichen für eine ungesunde Entwicklung, etwa wenn sich Jugendliche selten mit Gleichaltrigen außerhalb der Schulzeit treffen, viel Zeit in der virtuellen Welt verbringen und daran besondere Freude haben. „Wird die Mediennutzung anderen Aktivitäten vorgezogen, lässt das Interesse an realen Beziehungen deutlich nach oder führt die Mediennutzung zu einem Abfall schulischer Leistungen, sind das Hinweise für einen ungesunden Mediengebrauch“, sagt Dr. Ingo Spitczok von Brisinski vom Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP) in Köln. „Auch wenn familiäre Spannungen auftreten und die betroffenen Jugendlichen sich von Freunden und der Familie nicht mehr verstanden fühlen, sollten Eltern aufmerksam werden.“ Hinweis für eine problematische Entwicklung ist auch, wenn sich der Tag-Nacht-Rhythmus der Jugendlichen verschiebt und es zu Schlafstörungen kommt. Dann sollte ein Kinder- und Jugendpsychiater zu Rate gezogen werden.Untersuchungen zeigen, dass bestimmte Menschen stärker gefährdet sind, sich in der virtuellen Welt «zu verlieren». „Typischerweise vermittelt die Beschäftigung mit dem Internet, Computer- und Rollenspielen bei Betroffenen Freude und Erfolg, was sie im realen Leben nur in einem begrenzten Maße erleben. Das hilft ihnen dabei, Probleme aus der realen Welt zu verdrängen und es kann sich ein Teufelskreis entwickeln. Mit zunehmender Fokussierung auf die virtuelle Welt, wachsen die Probleme vor Ort und damit auch stetig zunehmende Verdrängungsmechanismen, die eine erfolgreiche Bewältigung der Alltagsaufgaben verhindern“, führt der Kinder- und Jugendpsychiater aus. Insbesondere sozialphobische Menschen aber auch Menschen, die eine Störung aus dem Autismus-Spektrum - wie dem Asperger-Syndrom oder Hochfunktionalem Autismus - haben, sind besonders anfällig für motivierende und belohnende Systeme moderner Medien, wie etwa Rollenspiele.Ein krankhafter Mediengebrauch bringt Symptome mit sich, die denen von stoffgebunden Abhängigkeiten entsprechen. „Typische Begleiterscheinungen einer Abhängigkeitserkrankung sind Entzugserscheinungen, die sich in Gereiztheit, Unruhe und Schlafstörungen zeigen können. Auch können eine verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Zeitraums der Mediennutzung und eine fortschreitende Vernachlässigung anderer Lebensbereiche eintreten“, ergänzt der Kinder- und Jugendpsychiater. Wird das problematische Verhalten beibehalten, obwohl Betroffenen die negativen Konsequenzen bekannt sind, deutet dies ebenfalls auf eine psychische Abhängigkeit hin.In Deutschland liegt die durchschnittliche Internetz-Nutzungsdauer von 14 bis 19-Jährigen bei zwei Stunden pro Tag. Verbringen Jugendliche über Wochen erheblich längere Zeiten im Netz, liegt ein erhöhtes Risiko für krankhaften Mediengebrauch nahe.
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