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„Du musst keine Angst haben“ lässt Kinder mit ihrer Furcht alleine

Vorteilhaft ist hingegen, dem Kind eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Angst zu ermöglichen und ihm seine Angstreaktionen zu erklären. Dies ermöglicht es ihm, mit künftigen Angstsituationen besser umgehen zu können.

Ängste im Kindes- und Jugendalter können je nach Alter sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Insbesondere kleinere Kinder können vieles mit ihrem Verstand noch nicht erfassen und es können Angstphantasien und Realität fließend ineinander übergehen. Auch wenn Eltern viele dieser manchmal phantasievollen Ängste als überzogen und unbegründet erscheinen, sollten sie diese ernst nehmen und auf die Befürchtungen des Kindes eingehen. „Wenn Kinder unter akuten Ängsten leiden, sind tröstende Zuwendung und körperliche Nähe zunächst am besten, um dem Angstzustand seine Bedrohlichkeit zu nehmen. Ein schlichtes in-den-Arm-nehmen oder die Hand des Kindes zu halten kann oft hilfreicher sein als Worte“, meint Dr. Ingo Spitczok von Brisinski vom Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP). „Problematisch sind Aussagen wie «Stell dich doch nicht so an». Hierdurch wird auf das subjektive Erleben des Kindes wenig Rücksicht genommen, da es ja schwer zu kontrollierende Angstgefühle erlebt. Diese Aussagen geben ihm zu verstehen, dass seine Gefühle nicht angemessen seien und Angst am besten unterdrückt werden sollte. Diesen Umgang mit Angst zu erlernen, wäre eine ungünstige Strategie für das Kind.“ Eltern sollten ebenso vermeiden, sich über eine ängstliche Reaktion eines Kindes lustig zu machen.

Vorteilhaft ist hingegen, dem Kind eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Angst zu ermöglichen und ihm seine Angstreaktionen zu erklären. Dies ermöglicht es ihm, mit künftigen Angstsituationen besser umgehen zu können. „Eltern sollten dem Kind mitteilen, dass es sich für seine Ängste nicht zu schämen braucht. Auch die Erklärung, dass jeder Mensch sich vor etwas fürchtet und, dass diese Angst manchmal auch sehr sinnvoll ist, um in bestimmten Situationen geeignet reagieren zu können, ist hilfreich. Entlastend wirkt zudem der Hinweis, dass eben diese Menschen in anderen Situationen sehr viel Mut besitzen können“, meint der Kinder- und Jugendpsychiater. „Darüber hinaus können in solchen Momenten die guten und starken Eigenschaften des Kindes in Erinnerung geholt werden, um sein Selbstbewusstsein zu stärken.“ Emotionale Zuwendung und positive Erfahrungen sind die wichtigsten Bausteine eines sich im Aufbau befindlichen Selbstbewusstseins.

Wichtig ist stets, dass man dem Kind die Gelegenheit gibt, über seine Ängste zu sprechen. Dabei sollte man dem Kind geduldig zuhören und einfühlsame Fragen stellen. „Von zentraler Bedeutung ist, dass Kinder Vertrauen zu ihren Bezugspersonen haben und nicht dazu übergehen, ihre Ängste zu verstecken, etwa weil sie sich schämen oder meinen könnten, dass mit ihnen etwas nicht stimmt“, rät der Experte. „Ansonsten könnten den Eltern gravierende Ängste - insbesondere bei eher introvertierten Kindern - verborgen bleiben.“ Andererseits kann sich aber über längere Zeit auch ein Verhaltensmuster einspielen, bei dem das Kind über die Schilderung von Ängsten mehr Zuwendung bekommt als sonst und deshalb unter Umständen kein Interesse entwickelt, seine Ängste „in Schach zu halten“.

Wenn Ängste im Kinder- und Jugendalter den Alltag stark und anhaltend beeinträchtigen und zu Problemen in der Familie, im Kindergarten, in der Schule oder im Freizeitbereich führen, sollten sie unbedingt behandelt werden. Eine frühe und vorbeugende Behandlung kann einen chronischen Verlauf einer Angsterkrankung verhindern helfen. Die Heilungschancen sind gerade im Kindesalter gut.

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