Zeigt ein Kleinkind dauerhaft kein Interesse an anderen Menschen, indem es diese beispielsweise nicht anlächelt, keinen Blickkontakt aufnimmt oder auch keine Verhaltensweisen anderer nachahmt, so können dies Anzeichen für einen frühkindlichen Autismus sein. „Autistische Kinder wirken oft unnahbar. Sie weichen Blickkontakten und Berührungen aus und erwidern diese auch nicht“, berichtet Frau Dr. Inge Kamp-Becker von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) mit Sitz in Berlin. „Gewöhnlich beginnt ein Kind im Alter von 12 Monaten sich mitzuteilen - etwa durch Brabbeln, Winken sowie durch Deuten auf Gegenstände. Bleibt dies aus und das Kind reagiert auch nicht auf die Stimmen der Eltern und es gelingt nicht, eine gemeinsame Aufmerksamkeit mit dem Kind zu erzeugen, so sollte eine mögliche autistische Störung durch eine eingehende Untersuchung bei einem Kinder- und Jugendpsychiater abgeklärt werden.“ Frühkindlicher Autismus kann bereits im Säuglingsalter auffallen, was eine frühzeitige Diagnose und Förderung der betroffenen Kinder grundsätzlich möglich macht.
Eine spezifische Diagnose durch einen Facharzt ist wichtig, da solche Auffälligkeiten auch bei anderen Erkrankungen vorkommen oder Varianten einer normalen Entwicklung sein können. „Die erhöhte Aufmerksamkeit und Bekanntheit des Störungsbildes, die Autismus gerade in den letzten Jahren zuteil wurde, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass autistische Störungen schwerwiegende Entwicklungsstörungen darstellen, deren Diagnose erst nach einer ausführlichen, autismusspezifischen Anamnese, einer Verhaltensbeobachtung, Intelligenzdiagnostik, körperlich-neurologischen und neuropsychologischen Untersuchung gestellt werden kann“, betont die leitende Psychologin und Leiterin der Spezialambulanz „Autismus-Spektrum-Störungen“ an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Marburg. Eine sichere Diagnose ist erst ab einem Alter von zwei Jahren möglich.
Auch wenn Autismus bis heute nicht ursächlich geheilt werden kann, so können die betroffenen Kinder in vielen Bereichen durch eine ausreichende Förderung gute Fortschritte erzielen. „Frühe und individuelle Förderung ist wichtig, sie erleichtert es den Betroffenen, ihre soziale Wahrnehmung zu trainieren und sich leichter zu integrieren“, so die Expertin. Im Zentrum von Behandlung und Förderung steht die Verhaltenstherapie, die bei Bedarf um Logopädie, ergo- und/oder physiotherapeutische Maßnahmen ergänzt wird. „Betroffene Kinder müssen lernen, auf andere Menschen einzugehen, ihnen zuzuhören, wenn sie mit ihnen sprechen und sich ihnen gegenüber mitzuteilen. Je früher diese Förderung erfolgt, desto spielerischer können die Kinder das lernen“, fügt Dr. Kamp-Becker hinzu. „Die Eltern müssen dafür zunächst umfassend über das Störungsbild aufgeklärt sowie über die individuellen Stärken und Schwächen/Defizite ihres Kindes informiert werden. Für den Erfolg der therapeutischen Maßnahmen ist es wichtig, dass die Eltern von Anfang an intensiv in die Behandlung einbezogen werden, damit Fördermaßnahmen erfolgreich in verschiedenen Situationen eingeübt werden können“.
Wie viele Kinder von einer autistischen Störung betroffen sind, ist nicht ganz klar. Sicher weiß man, dass mehr Kinder betroffen sind, als man noch vor ca. 20 - 30 Jahren angenommen hatte, da sich die diagnostischen Methoden verbessert haben und das Bewusstsein für die Störung in der Öffentlichkeit stark zugenommen hat. Die diagnostischen Kriterien wurden sehr ausgeweitet und leichtere Fälle werden in aktuellen Studien berücksichtigt. Es wird davon ausgegangen, dass bei ca. 0.6 - 1% aller Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren eine autistische Störung vorliegt. Sicher weiß man, dass Jungen weitaus häufiger betroffen sind als Mädchen.
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