„Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben in der ersten Klasse müssen nicht zwingend auf das Bestehen einer Legasthenie hinweisen, da die Entwicklungsverläufe während der ersten Monate des Schriftspracherwerbs noch sehr unterschiedlich sind. Eindeutig diagnostiziert werden kann die Legasthenie erst im Verlauf der zweiten Klasse“, berichtet Dr. Ingo Spitczok von Brisinski vom Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (BKJPP). Es kann sich eine isolierte Lesestörung, eine isolierte Rechtschreibstörung oder eine kombinierte Lese- und Rechtschreibstörung entwickeln. Es handelt sich dabei um eine schulische Entwicklungsstörung, die eine früh beginnende und meist chronisch verlaufende Lernstörung bezeichnet. Die Intelligenz der Kinder ist hierbei unbeeinflusst, doch kann sich die Störung nachhaltig auf die psychosoziale Entwicklung der betroffenen Kinder und die ihrer Familien auswirken.
Erste Anzeichen im Vorschulalter erkennbar
Typisch für Legasthenie ist die geringer ausgeprägte Fähigkeit, einzelne Laute zu unterscheiden, im Gedächtnis zu speichern und abzurufen. Sie ist bei Kindern mit Legasthenie deutlich verzögert oder unvollständig entwickelt. Hierdurch wird die Buchstaben-Laut- und die Laut-Buchstaben-Zuordnung beeinträchtigt, welche für den erfolgreichen Lese- und Rechtschreibprozess von großer Bedeutung sind. „Bereits im Vorschulalter kann sich die eingeschränkte Bewusstheit für Laute und eine geringe Merkfähigkeit für Gehörtes bei betroffenen Kindern bemerkbar machen. Sie zeigt sich beispielsweise durch einen späten Sprachbeginn, Probleme bei der Unterscheidung von Lauten und Silben sowie beim Finden von Reimwörtern. Auch können sie mündliche Anweisungen oder Melodien schlecht behalten“, illustriert der Kinder- und Jugendpsychiater und -psychotherapeut.
Die Legasthenie ist ein komplexes Störungsbild, wobei die Ursachen nicht vollständig geklärt sind. Es ist sehr wahrscheinlich, dass mehrere Ursachen zusammenkommen. „Als mögliche Ursache einer Legasthenie wurden genetische Faktoren gefunden, die die Verarbeitung von gehörten und visuell wahrgenommenen Informationen beeinflussen“, ergänzt Dr. Spitczok von Brisinski. Die Legsthenie tritt in Familien gehäuft auf. Ist ein Elternteil betroffen, besteht für den Nachwuchs ein erhöhtes Risiko die Störung ebenfalls zu zeigen.
Weltweit sind 5-6% aller Kinder von einer spezifischen Lernstörung (Lese-, Rechtschreibstörung und Rechenstörung) betroffenen, Jungen dabei zwei- bis dreimal häufiger als Mädchen. Die Störungen beim Lesen und Schreiben können sich auf die gesamte Erlebniswelt der Kinder auswirken und führen nicht selten zu einem mangelnden Selbstbewusstsein, zu Versagensängsten, Schulangst und Schulverweigerung. Um die Chancen der betroffenen Kinder in der Schul- und Berufsausbildung zu verbessern, sollten erste Anzeichen frühzeitig beim Kinder- und Jugendpsychiater abgeklärt werden und bei entsprechender Diagnosestellung Therapie- und Hilfsangebote angenommen werden.
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