Häufiges Fernbleiben von Familienmahlzeiten und bevorzugtes „Alleine-Essen“ kann bei Jugendlichen ein Warnzeichen für eine Essstörung sein. Oftmals bestehen die Betroffenen darauf, ihre Nahrung lieber selber zu zubereiten oder geben vor, bereits gegessen zu haben. „Ein typisches Verhalten bei Magersucht ist auch, dass Jugendliche sich sehr intensiv mit Nahrungsmitteln und deren Kalorienmengen beschäftigen. Neben strikter Diät neigen sie dann oft parallel zu ausgeprägter körperlicher Aktivität oder wiegen sich mehrmals am Tag, um das Gewicht zu kontrollieren“, erklärt Prof. Frank Häßler von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) in Berlin. Manchmal gehen diese Auffälligkeiten mit einem sozialen Rückzug und depressiver Verstimmung einher. Besonders Mädchen äußern wiederholt Unzufriedenheit hinsichtlich ihrer Figur oder ihrem Aussehen und finden sich zu dick. „Wenn aus diesen Verhaltensweisen oder einer Diät ein Dauerzustand wird oder wenn Jugendliche stark an Gewicht verlieren, dann sollten Eltern handeln und einen Kinder- und Jugendpsychiater zu Rate ziehen“, meint der Experte. „Je früher eine Essstörung behandelt wird, desto günstiger ist die Prognose. “
Die Ursachen von Essstörungen sind vielfältig. Neben biologischen Aspekten – wie genetischen Faktoren oder Hirnfunktionsstörungen – spielen auch familiäre und gesellschaftliche Einflüsse sowie das soziale Umfeld eine Rolle. Das westliche Schönheitsideal, Schlankheitswahn oder die Ausgrenzung von Menschen mit Übergewicht können das Essverhalten von Jugendlichen beeinflussen. „Auch die elterliche Einstellung zu Figur, Gewicht und Aussehen spielen eine Rolle. Wenn beispielsweise Mütter ihre Figur nicht akzeptieren, ständig Diäten ausprobieren oder beim Essen Kalorien zählen, kann das Kind die dahinterstehenden Einstellungen übernehmen und eine Essstörung entwickeln“, erläutert der Direktor der Klinik für Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter der Universität Rostock. „Jugendliche, die von Magersucht betroffen sind, haben in der Regel ein schwach ausgeprägtes Selbstwertgefühl und ein verzerrtes Selbstbild - trotz Untergewicht fühlen sich die Betroffenen immer noch zu dick.“
Ein gesundes Selbstbewusstsein kann das Risiko für die Entwicklung psychischer Erkrankungen - wie einer Essstörung - senken. „Eltern können das Selbstbewusstsein ihres Kindes fördern, indem sie dessen positive Eigenschaften betonen und es ihm dadurch erleichtern, scheinbare Makel anzunehmen. Auch sollten Kinder keinem zu großen Leistungsdruck ausgesetzt werden und es sollten keine Vergleiche zu anderen Kindern angestellt werden“, rät der Kinder- und Jugendpsychiater. „Die Stärkung des Selbstbewusstseins wirkt nicht nur vorbeugend, sondern ist auch ein wesentlicher Bestandteil der Therapie von Essgestörten.“
Schätzungen zufolge erkranken etwa 1% der Mädchen und jungen Frauen im Verlauf ihres Lebens an einer Essstörung. Das Verhältnis von Mädchen und Jungen mit dieser Erkrankung liegt bei 12 zu 1. Essstörungen kommen praktisch nur in hoch industrialisierten Gesellschaften vor, wo keine Nahrungsmittel-Knappheit herrscht.
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