Auswirkungen und Folgeprobleme von Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht)
Organische Folgeerkrankungen
Als Folge einer Erkrankung an Bulimie ist auf der körperlichen Ebene häufig eine Vergrößerung der Speicheldrüsen (Parotishypertrophie) erkennbar, die durch das wiederholte Würgen und Erbrechen hervorgerufen wird. Durch den Kontakt mit dem stark säurehaltigen Mageninhalt können sich auch Schäden am Zahnschmelz, ausgeprägte Karies, sowie Entzündungen der Speiseröhre (Ösophagitis) und Einrisse der Speiseröhrenwand (Mallory-Weiss-Syndrom) entwickeln. Es werden auch Verletzungen der Handknöchel oder der Speiseröhre beobachtet. Letztere entstehen durch gewaltsames Einführen von Gegenständen wie Stricknadeln, Drähten, Holzstäbchen, etc., um den Würgereflex auszulösen. Diese sehr massiven Manipulationen treten allerdings sehr selten auf. Reflux, Entzündungen der Bauspeicheldrüse, Verstopfung sind typische Folgen eines Missbrauchs von Abführmitteln.
Die Einnahme von harntreibenden und abführenden Mitteln und ständiges Erbrechen der Nahrungsmenge führt zum Ungleichgewicht der im Blut gelösten Stoffe (Elektrolytverschiebungen vor allem Kalium, Natrium und/oder Chlor betreffend). Durch Kaliummangel kann es u.a. zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (Kammerflimmern) kommen.
Infolge von Störungen der Östrogenbildung, Kalzium- und Vitamin-D-Versorgung steigt das Risiko für Knochenschwund (Osteoporose) - insbesondere bei Magersucht, was aber je nach Essstörungstypus auch Patienten mit Bulimie betreffen kann. Menstruationsstörungen und eine vorübergehende Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen (hypothalamischer Hypogonadismus) sind häufig, im Langzeitverlauf scheint die Fruchtbarkeit (Fertilität) von Bulimie-Patienten allerdings nicht beeinträchtigt zu werden.
Zusätzliche psychische Erkrankungen
Patienten mit Essstörungen können ein breites Spektrum weiterer psychischen Erkrankungen aufweisen. Besonders häufig sind Zwangs-, Angsterkrankungen und Depressionen. Insbesondere bei anorektischen Patienten sind Zwangsphänomene wie Essrituale, Ordnungs- und Säuberungszwänge, Perfektionismus und Unheilsbefürchtungen oft zu beobachten. Bei Patienten mit Bulimie sind diese zwar seltener, treten aber dennoch bei 8-33 Prozent der Betroffenen auf - insbesondere ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Symmetrie und Exaktheit, Säuberungs- und Waschzwänge sowie Kontrollzwänge, wobei im Vergleich zu Magersüchtigen vermehrt Zwangsgedanken mit aggressivem Inhalt können vorkommen. Auch Angsterkrankungen (soziale Phobien, generalisierte Angststörungen und einfache Phobien) sind bei Bulimie etwas seltener (30-70 Prozent) als bei Magersucht (40-80 Prozent). Depressive Verstimmungen sind im akuten Krankheitszustand sowohl bei Bulimie als auch bei Magersucht typisch. Essgestörte Patienten zeigen häufig eine gedrückte Stimmungslage und sind leicht reizbar. Sie haben ein geringes Selbstwertgefühl und klagen über Schuldgefühle und Hoffnungslosigkeit, nicht selten auch über Schlaflosigkeit und Konzentrationsstörungen.
Patienten mit einer Bulimie haben ein größeres Risiko, an Selbstmord zu sterben, als die Normalbevölkerung. Das gilt besonders für Menschen mit gleichzeitig bestehenden Depressionen.