Eine eigenständige Form der Psychotherapie für Menschen, die unter einer anhaltenden Trauerstörung leiden, steht im Mittelpunkt einer bundesweiten Studie, welche in den kommenden drei Jahren unter Leitung von Prof. Dr. Rita Rosner (Lehrstuhl für Klinische und Biologische Psychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt) durchgeführt wird. Die Psychologen der KU kooperieren dafür mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Goethe-Universität Frankfurt, der Philipps-Universität Marburg sowie des Universitätsklinikums Leipzig. Neben der KU können sich Betroffene an den dortigen Studienzentren behandeln lassen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Studie in den kommenden drei Jahren mit rund einer Million Euro.
Langandauernde Trauer kann behandlungsbedürftig sein
Trauer an sich ist ein normaler Prozess, der Hinterbliebenen dabei hilft, sich an die neue Lebenssituation anzupassen und eine neue emotionale Beziehung zu dem Verstorbenen aufzubauen. Dem anfänglichen Schockzustand nach dem Tod einer nahestehenden Person folgen in der Regel eine langsame Einordnung der Emotionen und die Akzeptanz des Verlustes. Die emotionalen „Spitzen“ der Trauer gestalten sich dabei im Lauf der Zeit langsam abnehmend. Im Gegensatz dazu verspüren die Betroffenen, die eine anhaltende Trauerstörung entwickeln, auch nach langer Zeit keine wesentliche Linderung. Im Gegenteil: Die Sehnsucht nach der verstorbenen Person bleibt unvermindert groß, manche Betroffenen sind verbittert über den Verlust und knüpfen einen Teil ihrer Identität an den Verstorbenen – im Sinne der Aussage „Ein Teil von mir ist gestorben“. Hinzu kommt, dass sie Anlässe für eine Erinnerung meiden oder sich intensiv und dauernd mit ihrem Verlust beschäftigen. Andere lassen zum Beispiel das Zimmer des Verstorbenen über Jahre hinweg unverändert. Medikamente greifen bei der anhaltenden Trauerstörung nicht. In Deutschland entwickeln etwa fünf Prozent der Trauernden dieses Krankheitsbild.
Die anhaltende Trauerstörung ist mittlerweile als eigenständige Erkrankung anerkannt, die sich von Depressionen oder posttraumatischen Belastungsstörungen unterscheidet, und wird demnächst auch in die entsprechende Klassifizierung aufgenommen. „Eine Behandlung empfiehlt sich dann, wenn der Verlust länger als ein halbes Jahr zurückliegt und weiterhin schwere psychische und körperliche Symptome den Alltag beeinträchtigen“, erklärt Prof. Dr. Rita Rosner. Die bislang angebotenen Therapieformen, die bei einer Trauerstörung angewendet werden, wirkten eher unspezifisch. Um diesem Problem entgegenzuwirken, hat die Arbeitsgruppe bewährte psychotherapeutische Methoden auf die speziellen Bedürfnisse trauernder Patienten angepasst. Entstanden sind zwei Therapieformen, welche im Rahmen des Projektes angeboten werden: Die eine legt den Schwerpunkt auf die Trauer selbst, die andere konzentriert sich auf die durch Trauer verursachten Alltagsschwierigkeiten. Die zugrundeliegenden Therapieformen haben sich bereits bei verschiedenen Problemen als wirksam erwiesen – neu ist die Anpassung für trauernde Patienten.
Interessierte können an Studie teilnehmen
Die Behandlungen umfassen 20 wöchentliche Einzeltermine und Nachuntersuchungen unmittelbar nach Abschluss der Behandlung sowie nochmals nach einem Jahr. Wer seit dem Verlust einer nahestehenden Person an körperlichen und seelischen Beschwerden leidet und zwischen 18 und 75 Jahren alt ist, kann sich an eines der vier Behandlungszentren in Ingolstadt, Frankfurt, Marburg oder Leipzig wenden, die im Rahmen des Projektes eingerichtet sind. Betroffene können sich dort eingehend untersuchen lassen und im Gespräch mit den Therapeuten klären, ob die Behandlungsform für sie geeignet ist.
Weitere Informationen: www.trauer-therapie.de
Quelle: Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt auf idw