Bei neurologischen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Schlaganfällen sterben Nervenzellen ab. Der Untergang der Nervenzellen ist zumindest teilweise auf eine Überreaktion von Entzündungszellen zurückzuführen, die in das Gehirn einwandern. Die Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Markus Schwaninger, Direktor des Instituts für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie, haben herausgefunden, dass eine ketogene Diät und die entstehenden Ketonkörper auf die Entzündungszellen, Monozyten und Makrophagen, im Gehirn einwirken. Dabei binden sich Ketonkörper an einen Rezeptor mit dem Namen HCA2, der sich auf Entzündungszellen befindet. „Ketonkörper instruieren durch HCA2 Entzündungszellen, das Gehirn zu schützen“, so Schwaninger.
Eine ketogene Diät ist so fettreich, dass sie schlecht schmeckt und bei Patienten meist unbeliebt ist. Die Lübecker Forscher fanden aber, dass auch Nikotinsäure wie Ketonkörper durch HCA2 einen Untergang von Hirngewebe verhindern kann. Nikotinsäure wird bereits seit vielen Jahrzehnten zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt. Als „ketogene Diät in Tablettenform“ könnte Nikotinsäure ein Comeback in einer neuen Indikation haben. Tatsächlich wurde Nikotinsäure schon in den 50er-Jahren bei akutem Schlaganfall unter der Vorstellung verwendet, dass es zu einer Gefäßerweiterung im Gehirn führt. Später hatte sich aber herausgestellt, dass die Gefäßerweiterung nur auf die Haut beschränkt ist. „Auch wenn Nikotinsäure nicht die Durchblutung des Gehirns steigert, hat es doch einen Effekt beim Schlaganfall und möglicherweise auch bei anderen neurologischen Erkrankungen“, sagt Schwaninger.
In weiteren Experimenten fanden die Wissenschaftler heraus, wie die Aktivierung des HCA2-Rezeptors das Gehirn schützt. „Wir vermuten, dass entzündungshemmende Faktoren gebildet werden, aber die genaue Identifizierung dieser Faktoren steht noch aus“ räumt Schwaninger ein. Neben der genauen Wirkweise steht die Testung weiterer Substanzen, die an den HCA2-Rezeptor binden, auf der Arbeitsliste der Lübecker Forscher. Sie hoffen, einen Stoff mit gleicher oder besserer Wirksamkeit aber weniger Nebenwirkungen zu finden. Die zunehmende Zahl von Patienten mit neurodegenerativen Erkrankungen wie M. Alzheimer oder Schlaganfall wartet dringend auf neue therapeutische Ansätze.
Originalpublikation:
Rahman M, Muhammad S, Khan MA, Chen H, Ridder DA, Müller-Fielitz H, Pokorna B, Vollbrandt T, Stölting I, Nadrowitz R, Okun JG, Offermanns S, Schwaninger M. The β-hydroxybutyrate receptor HCA2 activates a neuroprotective subset of macrophages. Nature Communications. Doi:10.1038/ncomms4944
Quelle: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein / www.uksh.de