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Kleine Dornfortsätze von Nervenzellen können lokale Reize selbständig verarbeiten

Nervenzellen (Neuronen) verfügen über ein viel größeres Repertoire zur Informationsverarbeitung als bisher angenommen. Zu diesem Schluss kommen Forscher aus Regensburg und München nach der Untersuchung von Nervenzellen des Riechkolbens bei Säugetieren. Das Team um Prof. Dr. Veronica Egger vom Institut für Zoologie der Universität Regensburg konnte nachweisen, dass „Spines“ (Dornfortsätze) auf den Dendritenbäumen der Nervenzellen lokale Reize selbständig verarbeiten können. Unabhängig vom Erregungszustand der restlichen Zelle operieren sie dabei als „Mini-Neuronen“. Die Studie wurde jetzt in der Fachzeitschrift „NEURON“ veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.neuron.2014.12.051).

Nervenzellen verständigen sich untereinander durch elektrische Signale. Dafür nehmen sie über ihre baumartig verzweigten Dendriten Signale anderer Nervenzellen auf, verarbeiten diese und leiten ein entsprechendes „Aktionspotential“ entlang dünner Fortsätze – den Axonen – an andere Neuronen weiter. Auf ihren Dendriten tragen die meisten Nervenzellen des Säugergehirns überdies sogenannte Dornfortsätze, auch „Spines“ genannt. Dabei handelt es sich um kleine Ausstülpungen, auf denen sich die Kontaktstellen (Synapsen) zu den anderen Neuronen hauptsächlich befinden. Die konkrete Funktion der „Spines“ war bislang nur teilweise verstanden, wobei einzelne Theoretiker bereits in den 1960er Jahren vorgeschlagen haben, dass sie eine lokal begrenzte elektrische Verstärkung der eintreffenden synaptischen Signale ermöglichen könnten. Dies würde die Möglichkeiten der Informationsverarbeitung von Nervenzellen deutlich erweitern.

Das Forscherteam um Prof. Egger hat am Beispiel der „Spines“ in einem besonderen Typus von Nervenzellen – Körnerzellen des Bulbus olfactorius – erstmals experimentell nachgewiesen, dass eine solche lokale Signalverstärkung tatsächlich möglich ist. Der zugrundeliegende Mechanismus, ein auf einen einzigen „Spine“ beschränktes Aktionspotential – konnte in enger Zusammenarbeit mit Theoretikern um Prof. Dr. Andreas Herz und Dr. Martin Stemmler von der LMU München und dem Bernstein Center for Computational Neuroscience in München aufgeklärt werden.

Im Fall der Körnerzellen des Riechkolbens von Säugern hat die lokale Signalverstärkung eine besondere Bedeutung: Diese Neuronen besitzen kein Axon, sondern können vielmehr über ihre dendritischen „Spines“ synaptische Botenstoffe sowohl empfangen als auch freisetzen. Ähnliche reziproke Synapsen bzw. Kontaktstellen zwischen Nervenzellen finden sich allerdings auch in anderen Hirnarealen, beispielsweise in der Netzhaut und im Thalamus.

Der jetzt nachgewiesene Verstärkungsmechanismus beruht darauf, dass die „Spines“ der Körnerzellen über spannungsabhängige Proteine verfügen, die sonst vorwiegend in Axonen vorzufinden sind. Damit können sie unabhängig vom Zustand der restlichen Körnerzelle als „Mini-Nervenzellen“ operieren. Die Forscher aus Regensburg und München erwarten vergleichbare Ergebnisse für die anderen Typen reziproker Synapsen im Nervensystem von Säugern. Die Leistungsfähigkeit zur Informationsverarbeitung bei Nervenzellen ist also weit komplexer, als bislang vermutet.

Quelle: Universität Regensburg