Stürze scheinen ein fester Bestandteil des normalen Alterungsprozesses zu sein: Fast jeder dritte Mensch über 65 Jahren stürzt mindestens einmal im Jahr; bei den Bewohnern von Pflegeheimen ist es sogar mehr als jeder zweite. Die hohe Sturzneigung älterer Menschen muss jedoch nicht einfach hingenommen werden, wie Schweizer Physiotherapeuten und Bewegungswissenschaftler in der Fachzeitschrift „physiopraxis“ berichten (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2011). Mit anspruchsvollen Doppelaufgaben, so genannten Dual-Tasks, könne Stürzen effektiv vorgebeugt werden. „Der Alltag besteht aus motorischen und kognitiven Doppelaufgaben“, erläutern die Züricher Forscher um Eling Douwe de Bruin vom Institut für Bewegungswissenschaften und Sport der ETH Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. Das Überqueren einer viel befahrenen Straße etwa erfordere neben der rein motorischen Aufgabe des Gehens auch eine erhöhte Aufmerksamkeit für die sich ständig verändernde Verkehrssituation. Was für junge Menschen selbstverständlich ist, stellt für Ältere eine echte Herausforderung dar. Weil Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit und Balance im Alter abnehmen, brauchen die Senioren ihre ganze Aufmerksamkeit für die eigene Motorik. Das Beobachten des Verkehrs tritt dabei allzu leicht in den Hintergrund. Gegen die motorische Unsicherheit im Alter lässt sich jedoch wirkungsvoll antrainieren. „Seit einigen Jahren weiß man, dass sich bis ins hohe Alter neue Nervenzellen im Gehirn bilden können“, sagt de Bruin und verweist auf eine Studie, nach der ein dreimonatiges Jongliertraining bei Erwachsenen bestimmte Gehirnbereiche wachsen lässt. Entsprechend können auch die Gangsicherheit und das Bewältigen von motorischen Alltagsaufgaben trainiert werden. Besonders geeignet hierfür sei ein Dual-Task-Training, so die Schweizer Wissenschaftler – unter bestimmten Voraussetzungen. Motorische und kognitive Aufgaben nacheinander zu bewältigen, führe nicht zu einer Verbesserung der körperlichen Fähigkeiten, betonen sie. Vielmehr müsse die Aufmerksamkeit gleichmäßig und gleichzeitig auf beide Aufgabenteile gerichtet werden. So verbesserte sich etwa in einer Studie die funktionelle Fitness der Probanden, nachdem sie im Semitandemstand mit geschlossenen Augen einstudierte Wörter aufgezählt hatten. Ähnlich komplex ist die Aufgabe, im Vorwärtsgehen ein Glas Wasser zu balancieren und gleichzeitig in Dreierschritten rückwärts zu zählen. Für Geübte bietet sich eine Übung an, bei der man im Einbeinstand auf einer weichen Matte balancieren, mit zwei Bällen jonglieren und dabei Flussnamen aufzählen soll – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wichtig dabei ist, dass die Probanden nicht unterfordert werden. „Dual-Task-Training nützt den Patienten, wenn es sich an ihrer Leistungsgrenze orientiert und sie sogar leicht überschreitet“, betont de Bruin. Generell sollten die Aufgaben im Verlauf des Trainings zunächst leicht sein, dann immer schwerer werden, die Unterstützungsfläche für die Probanden immer kleiner und der Bewegungsablauf immer schneller. De Bruin und seine Kollegen plädieren dabei auch durchaus für den Einsatz neuer Computerspiele wie der Nintendo Wii oder elektronischer Tanz-Videospiele. Welche kausalen physiologischen Zusammenhänge zwischen der Mobilität, kognitiven Funktionen und dem Sturzrisiko bestehen, sei zwar nach wie vor unklar, schreiben die Schweizer Forscher – und demnach auch, wie sich der Effekt des Dual-Task-Trainings erklären lässt. Dennoch lasse die Vielzahl positiver Studien den Schluss zu, dass Physiotherapeuten das Training bereits heute sinnvoll einsetzen können. Quelle: Pressemitteilung vom Georg Thieme Verlag