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Neue biologische Klassifikation für Parkinson

© nobeastsofierce_Fotolia.com

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Das neue System soll ermöglichen, die molekularen Grundlagen der Parkinson-Krankheit bereits vor dem Auftreten von Symptomen zu identifizieren und gezielt therapeutisch anzugehen.

Die bisherige klinische Einteilung zur Klassifikation der Parkinson-Krankheit wird dem heutigen Wissen über die komplexen Pathomechanismen und die biologische Heterogenität nicht mehr gerecht. Jetzt schlagen die deutschen Parkinson-Forscherinnen und Forscher Günter Höglinger, Daniela Berg, Christine Klein, Tiago Outeiro und andere internationale Autorinnen und Autoren eine biologisch-basierte, dreiteilige Klassifikation für die Parkinson-Krankheit vor (siehe Lancet Neurology, online seit Februar 2024).  Gerade für die Entwicklung krankheitsmodifizierender bzw. kausaler Therapien sei nach Ansicht des Autorenteams eine exakte Klassifizierung und Stratifizierung essenziell.

Die Parkinson-Krankheit ist eine häufige chronische, neurodegenerative Erkrankung mit weltweit kontinuierlich steigender Inzidenz und Prävalenz – in Deutschland leben aktuell ungefähr 200.000 Betroffene. Die Erkrankung ist bislang nicht heilbar, aber es ist inzwischen eine relativ gute symptomatische Behandlung möglich (von Medikamenten bis hin zur tiefen Hirnstimulation) – jedoch gibt es noch keine kausale Therapie.

Die Diagnose erfolgt anhand klinischer Merkmale, d. h. dem Vorliegen typischer motorischer Symptome, ergänzt durch die MRT-Bildgebung des Gehirns. Auch die Einteilung verschiedener Parkinson-Formen erfolgt in erster Linie anhand klinischer Kriterien.

Eine Besonderheit der Parkinson-Krankheit ist die sogenannte Prodromalphase, d. h. Frühsymptome (Prodromi) können Jahrzehnte vor der späteren Diagnose schon auftreten. Allerdings können in der Prodromalphase und im Frühstadium die Parkinson-Krankheit und verwandte Entitäten („Synucleinopathien“) oft nur schwer voneinander unterschieden werden. Den sogenannten Synucleinopathien gemeinsam sind pathologische Ablagerungen des Proteins α-Synuclein in bestimmten Hirnregionen. Diese α-Synuclein-Aggregationen in den Nervenzellen entstehen aufgrund einer fehlerhaften molekularen Proteinstruktur (räumliche Fehlfaltung) – es bilden sich zunächst kleinste Eiweiß-Fasern (Fibrillen, Filamente), die dann verklumpen und zelltoxische Wirkung haben. Meistens sind diese Aggregate als sogenannte Lewy-Körperchen histologisch im Gewebe nachweisbar. Betroffen sind v. a. Dopamin-produzierende Nervenzellen, durch deren Untergang bzw. den daraus resultierenden Dopaminmangel entsteht dann die Parkinsonsymptomatik.

Es sind verschiedene Genmutationen bekannt („Parkinson-Gene“), die aber nur eine kleine Zahl der Parkinson-Krankheitsfälle direkt verursachen. Außerdem gibt es genetische Faktoren (sog. Risikovarianten), die zu einer erhöhten Neigung zu dieser Krankheit (Disposition) führen. Bei den sporadischen und den genetischen Parkinson-Formen sind die prinzipiellem Pathomechanismen die gleichen. Es sind aber inzwischen aber auch Parkinson-Formen ohne Lewy-Körperchen bekannt.

Die Forschung macht seit Jahren immer größere Fortschritte bei der Aufklärung der kausalen Parkinson-Pathomechanismen und deren komplexen Zusammenspiel, so dass man hofft, in den nächsten zehn Jahren Therapien einsetzen zu können, die an den molekularen Ursachen ansetzen. Die Fortschritte in der Entwicklung sensitiver und spezifischer in-vivo-Biomarker für das Vorhandensein der α-Synuclein-Pathologie haben die Parkinson-Forschung jedoch an einen kritischen Punkt gebracht, an dem eine Verschiebung der weitgehend klinisch basierten Diagnoseansätze zu einer Betonung der biologischen Grundlagen der Krankheit notwendig ist.

Das neue „SynNeurGe“-System soll ermöglichen, die molekularen Grundlagen der Parkinson-Krankheit bereits vor dem Auftreten von Symptomen zu definieren, identifizieren und gezielt therapeutisch anzugehen. Es umfasst drei Hauptkomponenten:

  1. Die „Parkinson-Typ Synukleinopathie“, d.h. Anwesenheit oder Abwesenheit von pathologischem α-Synuclein (S) in Geweben oder im Liquor.
  2. Hinweise auf eine Parkinson-assoziierte Neurodegeneration (N), die durch spezifische neurobildgebende Verfahren definiert wird.
  3. Der Nachweis von Parkinson-spezifischen pathogenen Genvarianten (G), die eine Parkinson-Krankheit verursachen oder stark dazu prädisponieren.

„Der aktuelle Forschungsvorschlag ist der erste Schritt in einem entscheidenden Prozess, um die Parkinson-Forschung von einem rein klinischen Ansatz hin zu einem biologischen Ansatz zu bewegen – was die Hoffnung auf die Entwicklung von krankheitsmodifizierenden Therapien weiter stärkt“, fasst Prof. Höglinger aus München zusammen. Wie der Experte allerdings betont, werden diese Kriterien vorerst ausschließlich für die Forschung vorgeschlagen.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.