Die Behandlungsmöglichkeiten von Patienten mit Hirngefäß-Erkrankungen, wie beispielsweise Schlaganfall oder Hirnblutung, haben sich in den letzten Jahren sehr verbessert. Mit dazu beigetragen haben zertifizierte Stroke Units, die sehr hohe Qualitätsstandards in der Behandlung nachweisen müssen und damit eine gute Versorgung der Patienten garantieren. Doch für einige neue Therapien sind nicht alle Stroke Units personell und apparativ ausreichend ausgestattet.
Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), die Deutsche Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) und die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie (DGG) haben deshalb gemeinsam ein neues Konzept entwickelt: Das Neurovaskuläre Netzwerk.16 Netzwerke befinden sich derzeit in der Pilotphase.
„In Deutschland haben in den letzten Jahren viele, auch kleinere Krankenhäuser, Spezialstationen eingerichtet, um Patienten mit einem Schlaganfall schneller und effektiver behandeln zu können“, sagt DSG-Generalsekretär Professor Dr. med. Otto Busse, der das neue Konzept federführend mitentwickelte. In diesen Stroke Units können die Ärzte innerhalb kurzer Zeit die für eine Lysetherapie geeigneten Patienten auswählen und behandeln. Bei der Lysetherapie wird das Blutgerinnsel, das den Schlaganfall verursacht hat, medikamentös aufgelöst. „In den letzten Jahren sind eine Reihe weiterer, neuer Behandlungen hinzugekommen, die das therapeutische Spektrum erweitert haben“, berichten Vertreter von DSG, DGNR, DGNC und DGG. So ist bei manchen Patienten heute auch eine Behandlung des Schlaganfalls möglich, bei der das Blutgerinnsel mechanisch mittels eines Spezialkatheters entfernt wird. Auch Gefäßaussackungen, sogenannte Aneurysmen, können heute auf verschiedene Weisen behandelt werden, sowohl operativ als auch minimal-invasiv per Katheter. Für den Therapieerfolg entscheidend ist deshalb, dass sich Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen – Neurologen, Neurochirurgen, Neuroradiologen, Gefäßchirurgen und Kardiologen – innerhalb kurzer Zeit auf die optimale Therapie verständigen und diese einleiten. Doch gerade kleine Kliniken können dies personell und apparativ oft nicht leisten. Der Einsatz neuester Therapien übersteigt meist ihre Möglichkeiten.
„Wir haben uns deshalb gemeinsam auf ein Konzept der Neurovaskulären Netzwerke verständigt“, erklären die Vertreter der Fachgesellschaften. Den Mittelpunkt – das koordinierende Neurovaskuläre Zentrum – bildet ein Klinikum mit einer überregionalen Stroke Unit, das über weitere Spezialabteilungen wie Neurochirurgie, Neurointensivstation, Neuroradiologie mit Hirnkatheterlabor und Gefäßchirurgie verfügt. Sie ist organisatorisch mit Kliniken der Umgebung verbunden, die auf ihren Stroke Units keine Spezialbehandlungen durchführen können. Die Ärzte können sich jederzeit an das Neurovaskuläre Zentrum wenden und die Behandlungsmöglichkeiten des Patienten besprechen. Ist eine Spezialbehandlungen sinnvoll, wird der Patient in das Neurovaskuläre Zentrum gebracht, wo Spezialisten die Behandlung vornehmen. Dies gilt nicht nur für den Schlaganfall, sondern für sämtliche neurovaskulären Erkrankungen. In ländlichen Regionen ist auch die Einrichtung von Tele-Stroke Units möglich, in denen über Video oder Internet die Akutbehandlung von Patienten besprochen werden kann. „Der Vorteil dieses Konzepts ist, dass neurowissenschaftliches Fachwissen gebündelt wird und innovative Therapien breiter angewendet werden können“, bilanziert Professor Dr. med. Joachim Röther, Pressesprecher der DSG.
In der Akkreditierungsphase kam das Konzept gut an. „Die Resonanz war sehr hoch“, berichtet Professor Busse. „Es hatten sich 36 Zentren beworben, aus denen wir 16 ausgewählt haben.“ Die Netzwerke sind bereits im Einsatz und werden kontinuierlich weiterentwickelt. Ab Mitte nächsten Jahres ist eine unabhängige Prüfung nach einem sogenannten Peer Review Verfahren vorgesehen. Auf der Basis dieser Ergebnisse wollen die vier Fachgesellschaften langfristig eine flächendeckende Einrichtung Neurovaskulärer Netzwerke erreichen.
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften auf idw