Vor einer Mathearbeit oder einem Vokabeltest schliefen bereits Generationen von Schülern mit dem Algebra-Buch oder dem Vokabelheft unter dem Kopfkissen, in der Hoffnung, dass dadurch im Schlaf das Wissen quasi von selbst seinen Weg in die grauen Zellen findet. Dass sie damit zumindest nicht komplett einem Aberglauben aufgesessen sind, haben nun Saarbrücker Neuropsychologen herausgefunden. Denn bereits ein kurzer Schlaf kann dabei helfen, zuvor Gelerntes deutlich besser im Gedächtnis zu behalten.
Die Neuropsychologin Sara Studte hat mit ihrem Doktorvater Axel Mecklinger und ihrer Kollegin Emma Bridger untersucht, wie sich ein Nickerchen, neudeutsch „Power Nap“, auf die Gedächtnisleistung auswirkt. Ihr Ergebnis ist eindeutig: „Bereits ein kurzer Schlaf von 45 bis 60 Minuten verbessert das Gedächtnis um den Faktor fünf“, erklärt Axel Mecklinger. Präziser gesagt, verbessert sich nicht die Gedächtnisleistung, sondern sie verschlechtert sich im Vergleich nicht. „Die Kontrollgruppe, die DVDs geschaut hat, während die andere Gruppe geschlafen hat, konnte sich anschließend deutlich schlechter an die zuvor gelernten Wortpaare erinnern als die Schlafgruppe. Diese wiederum zeigte nach dem Power Nap genauso gute Erinnerungsleistungen wie vor dem Schlaf, also gleich nachdem die Begriffe gelernt wurden“, macht der Professor für Neuropsychologie klar.
Die Forscher hatten dabei vor allem den Hippocampus im Visier. In dieser Hirnregion werden Erinnerungen „konsolidiert“, also zuvor Erlerntes ins Langzeitgedächtnis überführt und so zu Erinnerungen gemacht. „Wir haben dazu die so genannten Schlafspindeln untersucht, die eine wichtige Rolle bei der Konsolidierung von Erinnerungen während des Schlafens spielen“, erklärt Sara Studte. Darunter versteht man kurze, aber schnelle Schwingungen (Oszillationen) im Elektroenzephalogramm (EEG). „Wir vermuten, dass genau in diesen Phasen bestimmte Gedächtnisinhalte, insbesondere solche die zuvor ‚getagged‘, also markiert wurden, bevorzugt konsolidiert werden“, so Axel Mecklinger. Das bedeutet, dass neu erlernte Dinge im Gedächtnis mit einem Etikett versehen werden, durch das man sie später leichter wieder findet. Kurz: Man erinnert sich an etwas. Und zwar umso besser, je mehr Schlafspindeln zuvor im EEG aufgetreten sind.
Um auszuschließen, dass sich die Probanden ausschließlich auf Grund von Vertrautheitsgefühlen an die gelernten Dinge erinnern, haben die Forscher einen Trick angewendet: Die Teilnehmer mussten nicht nur 90 einzelne Wörter lernen, sondern auch 120 Wortpaare, und zwar solche, die keinen Sinn ergeben. „Ein solches Wortpaar ist zum Beispiel ‚Milch-Taxi‘. Ein Vertrautheitsgefühl nützt in dem Fall also gar nichts, wenn sich die Probanden an die Wörter erinnern sollten, denn es ergibt keinen Sinn, sie haben die Wortkombination zuvor noch nie gehört. Sie müssen also auf das spezifische Gedächtnis für die jeweilige Episode im Hippocampus zurückgreifen“, erklärt Axel Mecklinger die Methode.
Ein Fazit, das die Forscher aus der Studie ziehen können, ist eindeutig: „Schon ein kurzer Mittagsschlaf im Büro oder ein Nickerchen in der Schule verbessern den Lernerfolg signifikant. Daher sollte überall dort, wo man lernt, ernsthaft über die positive Wirkung des Schlafs nachgedacht werden“, sagt Axel Mecklinger. Das funktioniert auch, ohne dass man sich sperrige Bücher unters Kopfkissen legt. Konzentriertes Lernen und ein kurzer, erholsamer Schlaf reichen bereits völlig aus.
Die Studie (DOI: 10.1016/j.nlm.2015.02.012) ist im Rahmen des von der DFG geförderten Internationalen Graduiertenkollegs „1457: Adaptive Minds. Neural and Environmental Constraints on Learning and Memory” (Saarbrücken, Peking) entstanden.
Quelle: Universität des Saarlandes