Etwa 1% der Bevölkerung erleiden Episoden der Schizophrenie mindestens einmal in ihrem Leben. Schizophrenie ist eine äußerst belastende Erkrankung mit einer Vielzahl an charakteristischen Symptomen wie Halluzinationen, Stimmenhören und Wahnvorstellungen. Die Patienten leiden an Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit und mangelndem sozialen Kontakt, was sich häufig in Depressionen und Suchterkrankungen manifestiert. Entsprechend hoch ist die Suizidrate. Medikamente und Psychotherapie stehen für die Behandlung zur Verfügung. Allerdings kann damit nicht allen Patienten geholfen werden, möglicherweise, weil sich die Symptome bei den Patienten sehr unterschiedlich ausprägen. Aber wie ist es möglich, die individuellen Ursachen dieser Erkrankung sowie neue Behandlungswege in lebenden Nervenzellen zu erforschen, wenn doch solche Zellen aus Menschengehirnen verständlicherweise nicht isoliert werden können?
Transformation von Haut- zu Nervenzellen im Labor für Erkenntnisgewinn
Unter Tübinger Federführung, der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, des NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen, Reutlingen und der Firma CeGaT GmbH, hat ein internationales Konsortium einen wichtigen Fortschritt erzielt, der in der renommierten Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ gerade veröffentlicht wurde. Unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Fallgatter, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wurden Hautzellen von genau diagnostizierten Patienten mit Schizophrenie entnommen und im Team um Prof. Dr. Hansjürgen Volkmer am NMI in sogenannte induziert-pluripotente Stammzellen (iPSC) genetisch umprogrammiert. iPSCs haben die Fähigkeit, unter den richtigen Bedingungen, in eine Vielzahl unterschiedlicher Zelltypen auszureifen, darunter auch in Nervenzellen. „Diese Zellen enthalten ein Abbild der Gene von jedem einzelnen Patienten. Somit kann aus biochemischen und zellbiologischen Experimenten mit menschlichen Nervenzellen Aufschluss über die individuelle Krankheitsentwicklung gewonnen werden“, sagt Prof. Dr. Volkmer. Dr. Saskia Biskup von der Firma CeGat GmbH weist darauf hin, dass „solche Neuronen sich genetisch und physiologisch eindeutig von entsprechenden Neuronen aus Gesunden oder Patienten mit Autismus abgrenzen“. Die Forscher hoffen, mit diesem neuen Ansatz die individuellen Ursachen der Schizophrenie in Patienten besser zu verstehen und somit die Behandlungsmöglichkeiten in der Zukunft zu verbessern.
Originalpublikation:
www.nature.com/articles/s41398-019-0517-3
Quelle: NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen auf idw