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Schlaganfall: Neue Erkenntnisse über schädigende Mechanismen

Einem interdisziplinären Forscherteam des Uniklinikums Würzburg ist es gelungen, bei Schlaganfallpatienten winzige Blutproben direkt aus der abgeriegelten Zone zu gewinnen und zu analysieren. Während eines Schlaganfalls ist diese Gehirnzone durch ein Gerinnsel vom restlichen Kreislauf getrennt und stirbt ab. Die Forscher konnten beweisen, dass es genau in dieser Zone sehr früh zu einer Entzündungsreaktion kommt. Diese Erkenntnis wird beeinflussen, wie die Schlaganfallbehandlung weiterentwickelt werden muss.

Beim ischämischen Schlaganfall verschließt ein Blutgerinnsel (Embolus) ein Gefäß im Gehirn und verhindert die ausreichende Durchblutung des dahinterliegenden Areals. In der Folge kommt es dort zu einer Mangelversorgung mit Nährstoffen, allen voran Sauerstoff, und die betroffenen Nervenzellen beginnen, abzusterben. Diese Zusammenhänge sind auch Laien einleuchtend und hinlänglich bekannt. „Es wird aber vermutet, dass sich in der abgeriegelten Zone weitere pathologische Mechanismen abspielen, die einen entscheidenden Einfluss auf das Absterben von Hirngewebe, also das Voranschreiten des Hirninfarkts haben“, erklärt Dr. Alexander Kollikowski vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie des Uniklinikums Würzburg (UKW). „Hierfür haben wir ein zugelassenes Mikrokatheterverfahren so modifiziert, dass wir kurz vor der Gerinnselentfernung eine winzige Blutprobe aus dem abgeriegelten Kompartiment direkt hinter dem Gerinnsel gewinnen können“, schildert Dr. Kollikowski. Die Probenahme erfolgt also während des zur Entfernung des Gerinnsels ohnehin nötigen minimal-invasiven operativen Eingriffs ohne diesen zu verlängern.

Entzündungssofortreaktion während des Schlaganfalls bewiesen

Die Wissenschaftler konnten erstmals im Menschen Botenstoffe der Entzündung und vor allem eine Invasion der abgeriegelten Zone durch Immunzellen, insbesondere Granulozyten und Lymphozyten, nachweisen. Laut dem Forscherteam ermöglicht die von ihm etablierte Technik der Probenentnahme von Gehirnblut direkt während des akuten Schlaganfalls das Studium weiterer zentraler Entzündungsmediatoren, die am Infarktwachstum beteiligt sind. Es sei realistisch, dass sich mit diesen Erkenntnissen der Fokus in der Therapieforschung und klinischen Testung auf eine bestimmte Medikamentenklasse richten werde: die Gruppe entzündungshemmender Substanzen.

Eine Strategie für die zukünftige Schlaganfalltherapie

Dadurch zeichnet sich eine Strategie für die Schlaganfalltherapie der Zukunft ab. Ein entzündungshemmendes Medikament wird dem Schlaganfallpatienten möglichst frühzeitig verabreicht, idealerweise schon durch den Notarzt vor Eintreffen im Krankenhaus, um das Absterben des Gehirns zu bremsen bis der Blutfluss durch die operative Wiedereröffnung des Gehirngefäßes wiederhergestellt wird. Zum Wirkungsort innerhalb des abgeriegelten Areals kann das Präparat über Umgehungskreisläufe, die sogenannten Kollateralwege gelangen, mit denen der Körper für eine gewisse Restdurchblutung sorgt, bevor die Nervenzellen endgültig absterben.

In ihrer Studie untersuchten die Würzburger Wissenschaftler im Zeitraum von August 2018 bis Juli 2019 Proben von 151 Patienten. Bei 40 davon waren alle Parameter so, dass die Forscher einen exakten Vergleich mit dem Mausmodell hatten. Die Ergebnisse der Arbeit wurden im Januar 2020 in Annals of Neurology, einer der international führenden Fachzeitschriften für Schlaganfallforschung und Neurowissenschaften, veröffentlicht.

Literatur:
Kollikowski, A. M. et al. Local leukocyte invasion during hyperacute human ischemic stroke. Ann. Neurol. (2020). doi:10.1002/ana.25665

Quelle Universitätsklinikum Würzburg