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Schlaganfall trifft häufiger auch jüngere Menschen unter 55 Jahren

© kleberpicui - Fotolia.com

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Die Häufigkeit von Schlaganfällen in jüngeren Altersgruppen unter 55 Jahren nimmt weltweit zu – auch in Europa. Neurologen der DGN und fordern daher verbesserte Präventionsmaßnahmen.

Die globale Krankheitslast durch Schlaganfälle wird bis 2050 um bis zu 50 % ansteigen – so die alarmierende Prognose der World Stroke Organisation (WSO) - siehe The Lancet Neurology, online seit 9.10.2023. In Europa scheint es zwar durch die zunehmend flächendeckenden Versorgungsstrukturen zu einer Stagnation und in Deutschland sogar zu einer rückläufigen Tendenz zu kommen. Dennoch muss, da weltweit (auch in „high-income-countries“) die altersstandardisierte Schlaganfall-Inzidenz in jüngeren Altersgruppen unter 55 Jahren zunimmt, die Prävention unbedingt einen höheren Stellenwert erhalten – das forderte die DGN zum Weltschlaganfalltag am 29. Oktober.

Schlaganfälle sind weltweit die zweithäufigste Todesursache, dritthäufigste Ursache für Behinderung und eine der häufigsten Ursachen für Demenz. Zu den globalen Nachhaltigkeitszielen der WHO Agenda 2030 gehört die Verringerung der globalen Krankheitslast durch Schlaganfälle, d. h. der Zahl der Menschen, die an Schlaganfällen sterben oder danach eine Behinderung aufweisen. Kurz vor dem Welt-Schlaganfalltag erschien eine Studie der „Lancet Neurology Commission“, die eine ernüchternde Prognose abgibt (siehe The Lancet Neurology, online seit 9.10.2023). Sie besagt, dass bis 2050 weltweit die absolute Zahl der Menschen, die an Schlaganfällen sterben, um 50 % steigen wird: von 6,6 Millionen im Jahr 2020 auf 9,7 Millionen im Jahr 2050. Da nicht alle Betroffenen versterben, wird auch die Belastung durch Behinderung (DALYs = disability-adjusted life-years) im gleichen Zeitraum zunehmen – um 31 % von 144,8 auf 189,3 Millionen. Die Prognosen zur globalen Schlaganfall-Last basieren auf Schätzungen von Mortalität, Inzidenz und Prävalenz; wichtige Faktoren bei der Prognose sind auch Alterung und Wachstum der Bevölkerung.

Die absolute Zahl der Menschen, die von einem Schlaganfall betroffen sind, hat sich in den letzten drei Jahrzehnten fast verdoppelt. Der größte Teil der aktuellen Schlaganfall-Last entfällt dabei auf Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen, nämlich 86 % der weltweiten Schlaganfall-Todesfälle und 89 % der weltweiten Schlaganfall-DALYs im Jahr 2020. Bis 2050 werden dort die schlaganfallbedingten Todesfälle von 5,70 auf 8,81 Millionen steigen (und die DALYs von 128,81 auf 173,68 Millionen). Dagegen ist in Ländern mit hohem Einkommen kein Anstieg, sondern eine rückläufige Tendenz der Schlaganfall-Last zu erwarten, von weltweit 920.000 auf 910.000 Todesfälle (und von 15,95 auf 15,56 Millionen DALYs) – was die Kluft zwischen armen und reichen Ländern weiter vergrößern wird. Parallel zur steigenden globalen Schlaganfall-Last ist ein dadurch verursachter Kostenanstieg zu erwarten. Die geschätzten direkten (d. h. Behandlung und Rehabilitation) und indirekten (Produktivitätsverlust) durch Schlaganfälle verursachten Kosten beliefen sich 2017 weltweit auf über 891 Milliarden US-Dollar; sie werden bis 2050 auf 2,31 Billionen US-Dollar/Jahr steigen.

Die Analysen deuten darauf hin, so die Kommission, dass unzureichende Versorgungsstrukturen und ein ungleicher Zugang zu hochwertigen Präventions-, Akut- und Rehabilitationsmaßnahmen eine große Rolle spielen – weltweit, jedoch insbesondere in „low income“-Ländern. Besonders besorgniserregend sei, so die Kommission, dass die altersstandardisierte Schlaganfallinzidenz weltweit in armen wie auch in reichen Ländern bei Menschen unter 55 Jahren zunimmt (die Altersstandardisierung dient dem Vergleich von Krankheitsraten unter Berücksichtigung von Unterschieden der Altersstrukturen). Diese Zunahme stimme mit dem Prävalenzanstieg von Diabetes mellitus und Übergewicht in jüngeren Altersgruppen überein.

Vorgeschlagene Lösungen zur Senkung der globalen Schlaganfall-Last umfassen die Verbesserung des weltweiten Monitorings der Schlaganfalldaten, z. B. mit nationalen Schlaganfallregistern (derzeit nur in 31 der 216 WHO-Mitgliedsländer vorhanden). Eine ideale Überwachung, wie sie die WHO empfiehlt, umfasst landesweit repräsentative Indikatoren der Schlaganfall-Last, also Daten zur Inzidenz, Prävalenz, Rückfallraten und den Folgen (Mortalität, Behinderung) sowie zur Qualität der Versorgung von Schlaganfällen und darüber, ob Risikofaktoren vorlagen. Register dienen als Basis für die Verbesserung des Schlaganfallmanagements und es können davon ausgehend Strategien zur Reduzierung der Schlaganfallbelastung entwickelt werden. Deutschland ist hier relativ gut aufgestellt: 1999 wurde von der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Neurologie und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe die ADSR (Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Schlaganfall-Register auf www.schlaganfallregister.org) gegründet, die 20 evidenzbasierte Qualitätsindikatoren definiert hat und jedes Jahr ca. 300.000 Datensätze standardisiert auswertet.

Der zweite Ansatz zur Senkung der Schlaganfalllast ist die Stärkung und Verbesserung der Prävention. Zu den wichtigsten modifizierbaren Schlaganfall-Risikofaktoren gehören Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Vorhofflimmern, Übergewicht, erhöhte Blutfette und eine ungesunde Lebensweise (schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Stress, Rauchen, Drogen/Alkohol), aber auch psychosoziale Faktoren und Umweltfaktoren wie z.B. Luftverschmutzung. Beispielsweise kann auf Bevölkerungsebene eine Senkung des systolischen Blutdrucks um nur 2 mm Hg zu einem Rückgang der Schlaganfallneuerkrankungsrate um etwa 10–24 % führen. Nach Ansicht der Lancet-Kommission müssten Gesundheitsbewusstsein und -kompetenz der Bevölkerung verbessert werden; Schwerpunkt präventiver Strategien müsse demnach eine Änderung des Lebensstils bilden. Ein individuelles Risikoscreening mit Hilfe digitaler Technologien könne sensibilisieren. Nach Ansicht der Kommission müsste ein fester Anteil des jährlichen Gesundheitsbudgets für die Schlaganfallprävention bereitgestellt werden.

„Angesichts der Ergebnisse dieser Erhebung unterstützt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie zum Weltschlaganfalltag die politische Forderung zur Verbesserung der Schlaganfallprävention weltweit“, so Prof. Dr. med. Peter Berlit, Pressesprecher der DGN. „Obwohl wir in Deutschland im weltweiten Vergleich, insbesondere bei der akuten Schlaganfallversorgung, sehr gut dastehen, ist auch bei uns im Bereich der Prävention noch viel Raum für Verbesserungen. Gemeinsam mit der Deutschen Hirnstiftung leisten wir hier gerne unseren Beitrag zur Information der Bevölkerung.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)