Gerade zum Jahreswechsel ergreifen viele die Möglichkeit, eine zum Teil radikale Änderung von heute auf morgen durchsetzen zu wollen. Mit dem Rauchen aufhören, mehr Sport, gesünder Essen, ein paar überschüssige Kilos loswerden: Die Liste an „Vorsatz-Klassikern“ ist lang. Von Erfolg gekrönt sind diese Vorhaben aber selten. Doch woran liegt es, dass die guten Vorsätze den Januar meist nicht überleben? Wie schafft man es, den inneren Schweinehund zu überwinden? Machen Neujahrsvorsätze überhaupt Sinn? Diese Fragen beantwortet Melanie Lenger, Klinische- und Gesundheitspsychologin an der Universitätsklink für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin der Medizinischen Universität Graz.
Oft sind die Ziele, die viele sich stecken, zu hoch. Dies stellt Menschen nicht nur vor große Herausforderungen, sondern führt schnell dazu, dass man sich unmotiviert fühlt, da die gewünschte Veränderung nicht schnell genug von statten geht. Wenn das Ziel von Anfang an in weiter Ferne ist, und der Fortschritt stockt, verschwindet auch die Motivation in Windeseile. Für den Erfolg ist es besser, sich kleine, aber erreichbare Ziele zu setzen. Ein paar Kilo weniger, ein paar Stunden Sport mehr in der Woche sind meist bessere Grundsteine für langfristigen Erfolg als riesige Herausforderungen.
Ist man überhaupt bereit für Veränderung? Diese Frage sollte die Grundlage der Entscheidung für eine weitreichende Umstellung des Lebensstils sein. Wer nur wegen des Datums eine umfassende Veränderung vornehmen will, ohne körperlich oder seelisch darauf vorbereitet zu sein, programmiert das Scheitern praktisch vor. Gerade bei größeren Projekten wie zum Beispiel intensiven Abnehmprogrammen oder der Rauchentwöhnung ist es ratsam, eine/n Ärztin/Arzt zu konsultieren, um sicher zu gehen, dass alles in einem gesunden Rahmen abläuft.
Ein weiteres Problem in vielen Fällen sind zu schwammige Ziele. Ohne konkrete Zielsetzung tun sich viele Menschen mit der Motivation auf Dauer schwer. Psychologisch ist das Ziel fünf Kilo abzunehmen auf Dauer motivierender als nur die Vorgabe „Ich will Gewicht verlieren“. Auch klassische Vorsätze wie „Ich will gesünder leben“ fallen in diese Kategorie. Fällt unter gesünder Leben Ernährung? Sport? Beides? Lässt sich das Ziel überhaupt erreichen? Ein konkretes Ziel, das in einem realistischen Zeitraum erreicht werden kann, ist für die meisten hilfreicher.
Dennoch darf man beim Neujahrsvorsatz auch etwas Mut zeigen, und sich nicht unterschätzen. Wer zum Beispiel ein Kilo abnehmen will oder auf eine von 30 Zigaretten am Tag verzichtet, kann dieses Ziel bestimmt recht schnell erreichen, ob das nachhaltig zu einem gesünderen Leben führt, ist allerdings fraglich.
Das Erfolgsrezept für den gelungen Neujahrsvorsatz ist also recht einfach. Setzen Sie sich ein konkretes und erreichbares Ziel, das Sie motiviert. Für die Aufrechterhaltung der Motivation ist es sehr wichtig, dass man sich das positive Gefühl ganz genau vorstellt, das man sich durch dieses Ziel erwartet. Dies wird dabei helfen unangenehme Aufgaben leichter bewältigen zu können.
„Was ein gutes Gefühl auslöst, kann nur jede/r für sich selbst herausfinden. Sich also hinzusetzten, einen Stift zu nehmen und aufzuschreiben welche Prioritäten man hat, ist eigentlich der erste Schritt. Vielleicht ist es nicht das Raucherentwöhnungsprogramm oder die Abnehmkur im Jahr 2022. Sich auch regelmäßig die Zeit zu nehmen, seine Ziele zu reflektieren und zu adaptieren, ist zudem wichtig. Dazu braucht man nicht immer ein Flipchart oder Moderationskarten“, führt Melanie Lenger aus. Einfach beim Spazieren gehen oder am Weg zur Arbeit darüber nachzudenken reicht sehr wahrscheinlich. Vielleicht ist es mehr Zeit mit den liebsten Menschen zu verbringen oder beruflich mehr Zeit für die interessantesten und inspirierendsten Projekte freizuhalten oder jeden Tag mindestens 30 Minuten etwas zu tun, was wirklich Freunde bereitet.
„Um nicht zu vergessen was wirklich wichtig ist, ist es sinnvoll sich Erinnerungshilfen im Alltag zu schaffen. Ob ein guter Freund, eine gute Freundin oder das Smartphone regelmäßig an einen Kalendereintrag erinnert oder ob es ganz vorne am Kalender oder auf der Bürotür steht, ist egal“, erklärt Melanie Lenger. Man muss sich nur bewusst werden, dass der Alltag uns bald wieder fest im Griff haben wird und dass wir den Zauber des Neuen und das Gefühl, das wir jetzt haben, schnell vergessen sein wird - ohne unsere große Erinnerungshilfe „Weihnachten und Neujahr“.
Löst die Erinnerungshilfe zudem nur eine konkrete Handlung aus, kann überhaupt nichts schief gehen. Klappt es trotzdem nicht und man vergisst darauf oder hat keine Zeit es zu erledigen, ist sogar das Teil der Umsetzung. Wir sind an all unsere Handlungsabläufe, die wir jetzt aktuell gut und lange eingeübt haben (mögen sie gut oder schlecht sein), gewöhnt und jede Umstellung dieser Routine kostet Energie. Der Neujahrsvorsatz ist daher weniger dazu geeignet umfassende Umstellungen im Lebensstil ab dem 1. Januar erfolgreich umzusetzen, er eignet sich aber gut dafür, den ersten Schritt darzustellen.
„Es ist also wichtig, Geduld mit sich zu haben und sich die Möglichkeit zu geben Energie zu sammeln, um Leistung erbringen und Rückschläge aushalten zu können. Nicht wie lange man ohne Fehler durchhält ist entscheidend. Ob man nach einem Fehler wieder weitermacht und ob man die konkreten Handlungen für sein Ziel in machbare Zwischenschritte aufteilen und anpassen kann, wird den Erfolg des persönlichen Zieles ausmachen“, schließt Melanie Lenger ab.
Quelle: Medizinische Universität Graz