"Mit der neuen Studie wird die Therapie mit einem Opiat auf eine solide Basis gestellt“, betont Trenkwalder. „Die Besserung, die hier erzielt wurde, ist viel größer als mit den meisten zugelassenen RLS-Arzneien“, bemerkte Professor Arthur S. Walter von der Vanderbilt University School of Medicine dazu in einem Kommentar: „Zusammenfassend ist die orale Gabe von Oxycodon-Naloxon mit verzögerter Freisetzung eine Option für die kurz- und langfristige Therapie des RLS und könnte für jene Patienten eine besonders gute Wahl sein, die nicht auf andere Therapien ansprechen.“
Das Restless-Legs-Syndrom (RLS) zählt mit einer altersabhängigen Prävalenz von 3 bis 10 Prozent der Bevölkerung zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Es ist charakterisiert durch einen erheblichen Bewegungsdrang vor allem der Beine, der in Ruhesituationen auftritt und nachts besonders ausgeprägt ist. Erste Wahl ist weltweit die Therapie mit Dopaminagonisten, die jedoch nicht allen Patienten ausreichend helfen können. In den Leitlinien der DGN von 2012, die Claudia Trenkwalder federführend erstellt hat, heißt es deshalb: „Bei unzureichendem Ansprechen auf Dopaminergika oder Komplikationen können Opioide oder Antikonvulsiva ggf. in Kombinationstherapie versucht werden. Für Opioide liegen kontrollierte Erfahrungen bisher nur mit Oxycodon und Tramadol vor. Obwohl Opioide in der Praxis bei RLS häufig verwendet werden und insbesondere zur Therapie der Augmentation eine Behandlungsalternative zu Dopaminergika darstellen, sind nur wenige Daten verfügbar.“ Zwar beschrieb der englische Arzt Thomas Willis bereits im Jahr 1672 erstmals den Einsatz von Opiaten gegen das Restless-Legs-Syndrom, doch fanden sie erst in den 1990er Jahren Eingang in die Behandlungsrichtlinien der US-amerikanischen Akademie für Schlafmedizin.
Erste solide Datenbasis zur Wirkung von Opioiden bei RLS
Trenkwalder, Chefärztin der Paracelsus-Elena-Klinik in Kassel, hat vor diesem Hintergrund mit ihren Kollegen eine Studie initiiert, bei der 306 Patienten in 55 Zentren Österreichs, Deutschlands, Spaniens und Schwedens zwei Mal täglich entweder Oxycodon-Naloxon mit verzögerter Freisetzung erhielten, oder ein Placebo. Die Untersuchung, die vom Hersteller der Arznei finanziert wurde, ist die erste große Doppelblind-Studie zur Wirkung von Opioiden beim RLS. The Lancet würdigt Trenkwalders Leistungen in der gleichen Ausgabe mit einem Porträt.
Bei den Patienten der Studie hatten Dopaminergika nicht geholfen, um die Beschwerden deutlich zu lindern. Im Mittel hatten sie bereits 10,3 Jahre an der Krankheit gelitten, 5 davon unter Therapie. Auf der 40 Punkte umfassenden RLS Study Group Severity Rating Scale war die Krankheit zu Beginn der Studie mit durchschnittlich 31,6 Punkten als sehr schwer eingestuft worden. Nach zwölf Wochen hatte sich dieser Wert unter Oxycodon-Naloxon auf 15,1 Punkte („moderat“) gebessert, unter Placebo lediglich auf 22,1 Punkte („schwer“). Die Wirkung von Oxycodon-Naloxon war somit deutlich stärker als die der meisten zugelassenen Arzneien gegen RLS, merkt Kommentator Arthur S. Walter an. „Diese Daten sind besonders überzeugend, weil an der Studie Patienten teilnahmen, die auf andere Behandlungen nicht mehr ausreichend ansprachen“, so Walter. Die Untersuchung wurde nach zwölf Wochen um weitere 40 Wochen verlängert. In dieser zweiten Phase wurde allen Patienten die Studienarznei angeboten, wovon 197 Teilnehmer Gebrauch machten. Im Durchschnitt wurde die Krankheit nun mit 9,7 Punkten auf der RLS Study Group Severity Rating Scale bewertet und damit gerade noch als „mild“ eingestuft.
Fazit: Signifikante Verbesserung der Symptome
In der Gesamtbilanz konnte eine signifikante klinische Verbesserung erzielt werden, von sehr schweren Symptomen zu Beginn auf milde oder moderate Beschwerden zum Ende der doppel-blinden Studienphase, schreiben Trenkwalder und Kollegen. Außerdem habe man bedeutsame Verbesserungen bei sekundären Studienzielen erreicht, etwa der Schlafqualität und der Lebensqualität. Wichtig ist dabei auch die Anwendung nicht nur abends, sondern die morgendliche und abendliche Gabe, um einen kontinuierlichen Wirkspiegel beim Patienten zu erreichen. „Oxycodon-Naloxon mit verzögerter Freisetzung könnte in der Zukunft eine klinisch bedeutsame Behandlung für Patienten mit Restless-Legs-Syndrom werden, wenn die Medikamente der ersten Wahl versagen“, so Trenkwalder.
Nebenwirkungen meist mild bis moderat
Die Nebenwirkungen des Opiats traten mit 73 Prozent (bzw. 43 Prozent in der Placebo-Gruppe) in der ersten Phase der Studie vergleichsweise häufig auf, in den meisten Fällen waren sie aber mild bis moderat ausgeprägt und konsistent mit dem Sicherheitsprofil dieser Wirkstoffgruppe. Die häufigsten Nebenwirkungen unter Opiat-Therapie waren gastrointestinale Beschwerden wie Obstipation oder Übelkeit, eine unter Opiaten bekannte Nebenwirkung. Unter der Studienarznei schieden in der ersten Phase 13 Prozent der Teilnehmer wegen Nebenwirkungen aus, unter Placebo waren es 7 Prozent. Gleichzeitig hatten in der ersten Phase unter Oxycodon-Naloxon
7 Prozent der Patienten wegen mangelnder Wirkung die Studie verlassen, gegenüber 20 Prozent unter Placebo. Schwere Nebenwirkungen traten mit Oxycodon-Naloxon fünf Mal auf und betrafen überwiegend den Verdauungstrakt.
Auf Anraten des Ethik-Komitees hatten die Forscher zudem vier Wochen nach Abschluss der Studie nach Anzeichen von physischer oder psychischer Anhängigkeit gesucht. Entzugserscheinungen fanden sich bei einem von 176 Patienten nach 12 Wochen und bei zwei Patienten nach einem Jahr.
Quellen
• Trenkwalder C, Beneš H, Grote L, García-Borreguero D, Högl B, Hopp M, Bosse B, Oksche A, Reimer K, Winkelmann J, Allen RP, Kohnen R; RELOXYN Study Group. Prolonged release oxycodone-naloxone for treatment of severe restless legs syndrome after failure of previous treatment: a double-blind, randomised, placebo-controlled trial with an open-label extension. Lancet Neurol. 2013 Dec;12(12):1141-50.
• Walters AS. Opioids and restless legs syndrome. Lancet Neurol. 2013 Dec;12(12):1128-9.
• Mohammadi D. Claudia Trenkwalder: from bench to bedside (and back again). Lancet Neurol. 2013 Dec;12(12):1137.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie