Etwa jeder dritte Deutsche leidet mindestens einmal im Leben an krankhaftem Schwindel, mehr als jeder zehnte Hausarztpatient klagt darüber. Alles dreht sich, andere sehen verschwommen, sie fühlen sich benommen oder ihnen wird übel. Die Ursachen dafür reichen von Störungen des Gleichgewichtsorgans über zentral-neurologische und psychische Erkrankungen bis zu Alkohol- oder Medikamentenmissbrauch. Das macht die Diagnose für Neurologen und Hals-Nasen-Ohren-Ärzte schwierig. Übliche Verfahren zur Untersuchung bei Schwindel sind die kalorische Spülung, bei der die Gehörgänge mit warmem und kaltem Wasser gespült werden, oder die Drehstuhl-Untersuchung, bei der der Patient gedreht und seine reflektorischen Augenbewegungen aufgezeichnet werden.
Seit wenigen Jahren gibt es den videobasierten Kopfimpulstest (vKIT), bei dem eine Kamera die Augenbewegungen misst, während der Kopf vom Untersucher rasch gedreht wird und der Patient gleichzeitig versucht einen Zielpunkt im Blick zu behalten. Da das Gleichgewichtsorgan sehr empfindlich auf Beschleunigungen reagiert, können Fehlfunktionen des Organs durch rasche Kopfbewegungen gut erfasst werden. Die Technik des vKIT habe sich kürzlich entscheidend verbessert, so dass nun auch solche schnellen Kopfbewegungen aufgezeichnet und in wenigen Minuten ausgewertet werden können, erklärt Professor Dr. med. Christoph Helmchen, Leiter der Schwindelambulanz des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein und Mitglied der DGKN-Fortbildungskommission. Der neue Test gewinnt zunehmend an Bedeutung: „Mehr als hundert Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Neurologen in Deutschland verwenden das Video-System bereits.“
Video- Test ist ein besonders zeitsparendes Verfahren
Die Gründe dafür liegen laut Helmchen auf der Hand: Eine von ihm geleitete Studie an mehr als 1500 Schwindelpatienten zeigt, dass der vKIT für die Patienten verträglicher ist und deutlich weniger Zeit in Anspruch nimmt als eine einstündige kalorische Spülung oder eine Drehstuhl-Untersuchung: „Mit dem vKIT finden wir in 15 Minuten heraus, ob die Ursache für den Schwindel im Innenohr oder im Gehirn liegt.“ Je nach Ergebnis lässt sich damit unmittelbar ein Schlaganfall ausschließen, weshalb der DGKN-Experte den Video-Test auch für Notaufnahmen in Kliniken empfiehlt. „Viele Menschen, die mit Schwindel die Notaufnahme erreichen, leiden an einem vestibulären Schwindel, bei dem die Ursache im Innenohr liegt“, erklärt Helmchen. Die bisher übliche Magnetresonanztomographie (MRT) sei für diese Diagnose meistens nicht geeignet und auch nicht notwendig, folgert der DGKN-Experte aus den Ergebnissen einer amerikanischen Studie. Diese zeigt, dass Ärzte mittels vKIT und zwei anderen einfachen Untersuchungen einen Schlaganfall als Ursache einer akuten Schwindelepisode genauso gut diagnostizieren können wie mit MRT, allerdings in erheblich kürzerer Zeit. Helmchen geht sogar noch weiter: „Der videobasierte Kopfimpulstest könnte künftig den gleichen Stellenwert erlangen, wie das EKG für den Neurologen in den Notaufnahmen.“
Literatur:
Machner B et al. Videobasierter Kopfimpulstest. Bedeutung für die Routinediagnostik von Schwindelerkrankungen. Nervenarzt. 2013, 84:975-983. DOI: 10.1007/s00115-013-3824-6
Newman-Toker DE et al. Quantitative video-oculography to help diagnose stroke in acute vertigo and dizziness: toward an ECG for the eyes. Stroke. 2013, 44(4):1158-61. DOI: 10.1161/STROKEAHA.111.000033
Quelle: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften auf idw