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Wie das Gehirn uns den Weg durch eine Menschenmenge bahnt

© TimDavidCollection_Fotolia.com

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Ein hirneigenes GPS hilft uns zu navigieren, indem es nicht nur die eigene Position sondern auch die Bewegungen anderer Mitmenschen in unserer Umgebung erfasst.

Spezialisierte Nervenzellen im Gehirn, die für die räumliche Orientierung zuständig sind (sog. Rasterzellen) helfen uns nicht nur, unsere eigenen Wege in einer komplexen Umwelt zu bahnen, sondern unterstützen uns auch bei der Analyse der Bewegungen anderer Personen. Das zeigen Wissenschafter*innen der Universität Wien in einer aktuellen Studie, die auch eine Erklärung für einen Mechanismus nahelegt, der bei Demenzpatient*innen zu Orientierungslosigkeit führen könnte (siehe Nature Communications, online seit 31.1.2023) .

Egal ob man sich seinen Weg durch eine volle Fußgängerzone bahnt oder ob man beim Fußball im Team Richtung Tor strebt, in beiden Situationen kommt es darauf an, nicht nur die eigenen Bewegungen, sondern auch die der anderen mitzudenken. Diese Navigations- und Orientierungsprozesse werden von Gehirnzellen getragen, die unsere aktuelle Position - woher wir kommen, wohin wir uns bewegen und in welche Richtung wir schauen - registrieren. Durch ihre gemeinsame Aktivität erschaffen sie eine ‚Karte‘ unserer Umgebung. Ein besonderer Typ dieser Zellen sind die sogenannten Rasterzellen (engl.: grid cells) im entorhinalen Kortex, einer kleinen Hirnregion im mittleren Schläfenlappen. Sie funktionieren wie ein hirneigenes GPS, denn sie repräsentieren nicht nur unsere Position im Raum, sondern können diese auch in Relation zu anderen Punkten im Raum setzen.

Ob diese Rasterzellen auch daran beteiligt sind, die Bewegungen anderer Individuen auf dieser Karte abzubilden, war die Frage, der sich die Wissenschafter:innen um Isabella Wagner und Claus Lamm von der Fakultät für Psychologie der Universität Wien widmeten. Dazu ließen sie Proband:innen in einer virtuellen Umgebung sowohl selbst navigieren als auch die Bewegungen einer anderen Person beobachten, während ihre Gehirnaktivität mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) gemessen wurde.

Sie fanden heraus, dass die Gehirnaktivität, die während des Beobachtens anderer aufgezeichnet wurde, mit der bereits bekannten Aktivität von Rasterzellen vergleichbar war. Außerdem konnte das Team zeigen, dass diese Aktivität in ein Netzwerk weiterer Hirnregionen eingebunden war, die auch mit Navigationsprozessen in Zusammenhang gebracht werden. Interessanterweise stellte sich aber heraus, dass dieses Netzwerk umso weniger aktiv war, je besser ein/e Proband:in darin war, dem Pfad anderer zu folgen. „Wir interpretieren das als größere Effizienz der Rasterzellen, die es weniger notwendig machen, auf diese Hirnareale zurückzugreifen“, erklärt Wagner.

Die Ergebnisse der Studie deuten damit darauf hin, dass Rasterzellen zu einem größeren Netzwerk an Hirnregionen gehören, das unter anderem Navigationsprozesse koordiniert. Dieses Netzwerk ist jedoch besonders von Alterungsprozessen und insbesondere von Demenz betroffen. Wagner erläutert: „Die Funktion von Rasterzellen nimmt mit dem Alter und bei Demenz ab. Das führt dazu, dass sich Personen nicht mehr zurechtfinden und die Orientierung beeinträchtigt ist.“ Die weitere Forschung der Gruppe widmet sich nun der Frage, ob Rasterzellen auch am Erkennen von Personen beteiligt sind – ein Aspekt der bei fortgeschrittener Demenzerkrankung häufig beeinträchtigt ist.

Quelle: Universität Wien