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Wie das räumliche Gedächtnis funktioniert

© Deminos_Fotolia.com

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Gehirnwellen sind Bestandteil des räumlichen Gedächtnisses. Forschende des Universitätsklinikums Bonn haben ein ausgefeiltes Zusammenspiel zwischen Nervenzellen und Gehirnwellen entdeckt.

Räumliche Navigation und räumliches Gedächtnis spielen eine zentrale Rolle in unserem Leben. Allerdings sind die neuronalen Grundlagen des räumlichen Gedächtnisses längst nicht vollständig geklärt. Eine Forschergruppe rund um Prof. Dr. Dr. Lukas Kunz, der neuerdings am Universitätsklinikum Bonn (UKB) tätig ist, hat hierzu neue Erkenntnisse gewonnen. Zusammen mit Wissenschaftlern aus New York und Freiburg hat Prof. Kunz herausgefunden, dass verschiedene Typen von Nervenzellen beim räumlichen Gedächtnis gemeinsam aktiv werden und hierbei durch Gehirnwellen („Ripples“) koordiniert werden (siehe Nature Neuroscience, online seit 16.2.2023).

Das assoziative Gedächtnis sorgt dafür, dass verschiedene Informationen miteinander verknüpft werden. „Im Rahmen des räumlichen Gedächtnisses ermöglicht uns das assoziative Gedächtnis, uns an die Orte von bestimmten Objekten in der räumlichen Umgebung zu erinnern“, erklärt Prof. Kunz, Arbeitsgruppenleiter für Kognitive und Translationale Neurowissenschaften an der Klinik für Epileptologie am UKB, der auch Mitglied in dem Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn ist. „Beispielsweise können wir uns dadurch merken, an welche Stelle im Haus wir unseren Schlüssel gelegt haben.“ Im Alter oder bei bestimmten Krankheiten wie beispielsweise Alzheimer wird diese Leistung allerdings eingeschränkt. „Deshalb ist es wichtig, dass die neuronalen Grundlagen verschiedener Formen des Gedächtnisses weiter erforscht werden“, so Prof. Kunz. Langfristig könnte das bei der Entwicklung von Therapien zur Gedächtnisbeeinträchtigung helfen.

Während Informationen im Gedächtnis verknüpft werden, sind Nervenzellen aktiv. Um diese zu untersuchen, zeichnete die Forschergruppe die Aktivität einzelner Nervenzellen im Gehirn von Epilepsiepatienten auf, während diese eine Gedächtnisaufgabe am Computer lösten. „In einer virtuellen Welt mussten sich die Probanden an die Orte verschiedener Objekte erinnern“, berichtet Prof. Kunz.

Die Aufzeichnungen zeigten, dass bei einer solchen Aufgabe verschiedene Typen von Nervenzellen aktiv werden. Manche Nervenzellen reagierten insbesondere auf bestimmte Objekte, andere Nervenzellen hingegen auf bestimmte Orte. Die Wissenschaftler beobachteten, dass der Austausch zwischen diesen verschiedenen Typen an Nervenzellen erhöht war, wenn sich die Probanden an den richtigen Ort und das richtige Objekt erinnerten.

Gleichzeitig bemerkten die Forschenden, dass neben den Ort- und Objekt-Nervenzellen bei der Gedächtnisaufgabe auch Hippocampus-Wellen („Ripples“) aktiv werden und damit vermutlich eine entscheidende Rolle bei der Bildung und dem Abrufen von assoziativen Erinnerungen spielen. „Ripples könnten wichtig für die Verbindung von verschiedenen Arten von Nervenzellen und der Bildung komplexer Gedächtnisse sein. Spannend wird sein, diese Idee bei anderen Aufgaben weiter zu untersuchen“, erklärt Prof. Kunz Außerdem könnte es in Zukunft auch interessant sein, was passiert, wenn man Ripples unterdrückt oder gar auslöst.

Die Erkenntnisse, die Prof. Kunz mit seinen Kollegen an der Columbia University’s School of Engineering and Applied Science in New York und der Uniklinik Freiburg gewonnen hat, will er am Standort Bonn fortsetzen. „Die Epileptologie am UKB ist für ihre exzellente Hirnforschung bekannt. Hier gibt es insbesondere die einzigartige Möglichkeit, in der Video-EEG-Monitoring-Einheit – das Herzstück eines jeden Epilepsiezentrums – die Aktivität einzelner Nervenzellen des menschlichen Gehirns aufzuzeichnen. Dies liefert spannende Einblicke in die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, was nur an wenigen Forschungszentren weltweit möglich ist“, erklärt Prof. Kunz. Gleichzeitig setzt er auf den Austausch mit anderen Forschenden, der sehr wichtig für die Entwicklung neuer Forschungsideen ist.

Quelle: Universitätsklinikum Bonn