Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Behandlung der sozialen Phobie normalisiert Hirnveränderungen

Menschen, die unter sozialer Angst leiden, durchleben zwischenmenschliche Situationen unter starken Angstgefühlen, weil sie stets eine Bedrohung des eigenen Selbstwertes verspüren. Die soziale Phobie ist eine psychische Störung, die mit am meisten Leid verursachen kann.

Die soziale Angststörung ist eine psychische Erkrankung, die zu den phobischen Störungen zählt. Dabei handelt sich um eine „Situationsangst“, die sich auf Handlungen bezieht, in denen sich Betroffene einer kritischen Betrachtung durch andere ausgesetzt sehen. Die Angst beschränkt sich nicht allein auf Prüfungssituationen oder Vorträge, sondern dehnt sich weitreichend auf alltägliche Situationen mit Mitmenschen wie gesellschaftliche Anlässe, Meetings, gemeinsame Essen oder sonstige Gruppensituationen aus. Ein sicheres Anzeichen für eine soziale Phobie ist, wenn Personen Tätigkeiten alleine angstfrei ausführen können, in Gegenwart anderer dabei aber Angst erleben. „Sozialphobische Ängste zentrieren sich auf zwischenmenschliche Situationen, in denen Betroffene eine subjektiv empfundene Bedrohung des eigenen Selbstwertes verspüren. Die Ängste bestehen darin, vermeintliche Fehler zu machen, sich ungeschickt oder beschämend zu verhalten und negative Aufmerksamkeit bis hin zur Erniedrigung oder auch Kränkung zu erleben“, erklärt Dr. Christa Roth-Sackenheim vom Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP) mit Sitz in Krefeld. „Die Angst wird dabei zwar als unbegründet und übertrieben erkannt, jedoch als so ausgeprägt erlebt, dass sich Betroffene aus eigener Kraft kaum davon lösen können - auch weil Angstgefühle nicht ausreichend reguliert werden können.“ Die Furcht provoziert parallel körperliche Symptome wie u.a. Herzrasen, Zittern, Schwitzen, Muskelverspannungen, ein flaues Gefühl im Magen, Mundtrockenheit, Hitzewallungen oder Kopfdruck und können die Angst vor sozialer Auffälligkeit weiter verstärken. Sie kann sich bis zu einer unkontrollierbaren Panikattacke steigern.

Unrealistische Einschätzung von sozialen Situationen

Wie bei anderen Angststörungen werden traumatische und andere Lebenserfahrungen, Fehlkonditionierungen und genetische Einflüsse als Einflussfaktoren für die Entwicklung einer Sozialphobie angenommen. Auch neurobiologische Faktoren spielen eine Rolle. Es gibt Hinweise auf Störungen des Serotonin- und Dopaminsystems sowie Auffälligkeiten im Bereich frontaler und seitlicher Hirnareale. „Bei Menschen mit sozialer Phobie führen kognitive Besonderheiten zu unrealistischen Einschätzungen sozialer Situationen. Oft besteht eine übermäßige Empfindlichkeit gegenüber eigenen körperlichen Reaktionen, was eine verzerrte Selbstwahrnehmung fördert und einen Prozess erhöhter Selbstbeobachtung aufrechterhält. Auch Störungen der Emotionsregulierung treten bei sozialphobischen Menschen auf und erschweren ihnen einen kontrollierten Umgang mit den Gefühlen“, erklärt Dr. Roth-Sackenheim.

Psychotherapie normalisiert problematische Prozesse im Gehirn

Psychotherapeutische Maßnahmen, die u.a. auch im Rahmen von Gruppensitzungen erfolgen, können Betroffenen nachweislich wirksam helfen. Ziel einer Therapie ist es, dass die soziale Phobie verschwindet oder wenigstens so kontrolliert werden kann, dass Betroffene souverän damit umgehen können und das Leben dadurch nicht weiter negativ beeinflusst und eingeschränkt wird. „Eine kognitive Verhaltenstherapie kann unter anderem dabei helfen, Strategien zur Emotionsregulierung zu entwickeln und die Selbstkontrolle zu normalisieren. Jüngst konnte dieser Effekt von Forschenden der Universität Zürich auch im Gehirn sichtbar gemacht werden. Eine Studie konnte zeigen, dass eine zehnwöchige Therapie zu strukturellen Veränderungen in Hirnarealen führt, die mit der Selbstkontrolle und der Emotionsregulierung zusammenhängen“, ergänzt die Psychiaterin. „Dabei zeigte sich auch, dass die Hirnveränderungen umso stärker ausgeprägt waren, je erfolgreicher sich die Behandlung auf den Patienten ausgewirkt hatte. Ebenso wurde deutlich, dass nach der Therapie die tiefen Hirnareale, die an der Emotionsverarbeitung beteiligt sind, stärker vernetzt sind.“ Die Angststörung verläuft meist chronisch und eine spontane Genesung ist eher nicht zu erwarten. Betroffene sollten daher möglichst frühzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Erstes Mittel der Wahl zur Behandlung der sozialen Phobie ist die Verhaltenstherapie – unterstützend können aber auch angstlösende Medikamente eingesetzt werden.

Rund sieben Prozent der Bevölkerung sind von sozialer Phobie betroffen. Soziale Situationen werden vermieden oder nur unter großer Angst ertragen. Betroffene entwickeln ein Vermeidungsverhalten, dass zu Rückzug, weiterem Selbstwertverlust und sozialer Isolation führt. Da der Mensch als soziales Wesen für sein Wohlbefinden auf ein Sozialleben angewiesen ist, ist der Leidensdruck groß. Viele Betroffene erkranken zusätzlich an einer Depression oder Suchterkrankungen und auch Suizidalität kann auftreten. Die soziale Phobie ist eine psychische Störung, die mit am meisten Leid verursachen kann.

Quellen:

  • V R Steiger et. Al (2016) Pattern of structural brain changes in social anxiety disorder after cognitive behavioral group therapy: a longitudinal multimodal MRI study, Molecular Psychiatry; doi: 10.1038/mp.2016.217
  • Furmark T (2009) Neurobiological aspects of social anxiety disorder. Isr J Psychiatry Relat Sci 46:5–12

(äin-red) Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.psychiater-im-netz.org. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des Patientenportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.