Bei einer sich entwickelnden Demenz können kognitive Fähigkeiten - wie z.B. das Erkennen von Personen, die Erinnerung an zurückliegende Ereignisse, die räumliche Orientierung und die sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten – zunehmend beeinträchtigt sein. Aktives Musizieren kann im Vergleich zu passivem Musikhören die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen verbessern und somit Fähigkeiten wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Problemlösen fördern. Das ist das Ergebnis einer Metastudie der Indiana University in Indianapolis (USA), die neun Einzelstudien mit insgesamt 495 Teilnehmern hinsichtlich des Einflusses von Musik auf die Kognition von Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen analysiert hat (siehe Journal of the American Geriatrics Society, Online-Vorabveröffentlichung am 18.5.2021). „Dabei ist offenbar jede Form des aktiven Musizierens wirksamer als das passive Musikhören – egal, ob es sich nun um Singen, Chorsingen, Trommeln, andere Instrumente Spielen bzw. Improvisieren oder Tanzen handelt,“ berichtet Dr. Curt Beil vom Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) mit Sitz in Krefeld.
Musik lindert depressive Verstimmung und Unruhe
Das Singen oder Spielen von Liedern kann auch depressive Verstimmungen, unter denen viele Demenzkranke leiden, lindern sowie Unruhezustände oder Angst vor Ungewohntem abschwächen und wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Patienten aus. „Das Ausüben von Musik hat bekanntlich verschiedene günstige Auswirkungen auf den menschlichen Körper, z.B. eine Senkung des Blutdrucks, eine Harmonisierung des Herzschlags, eine Beruhigung der Atmung und eine Verminderung von Stress- und anderen Hormonen. Auch deshalb wird die Musiktherapie in den verschiedensten medizinischen Fachbereichen von der Augenheilkunde bis zur Zahnmedizin eingesetzt und ist sowohl von der American Geriatrics Society als auch von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Behandlung von Demenzpatienten anerkannt“, erklärt Dr. Beil.
Bietet auch im fortgeschrittenen Stadium Möglichkeit, am sozialen Leben teilzunehmen
Musik kann bei Demenzpatienten auch im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung überraschende Fähigkeiten wecken. So ist es den Studienautoren zufolge nicht ungewöhnlich, dass Patienten, die nicht mehr in der Lage sind, ihren eigenen Namen zu nennen, mehrstrophige Lieder fehlerfrei mitsingen können. Die Forschung führt dies darauf zurück, dass musikalische Inhalte in Hirnarealen gespeichert werden, die zum Beispiel bei der Alzheimer-Demenz noch lange erhalten bleiben. „Sich mitzuteilen ist ein elementares Bedürfnis des Menschen. Wenn die Sprachfähigkeit nachlässt, gewinnen non-verbale Kommunikationsformen zunehmend an Bedeutung“, erläutert Dr. Beil.
Musik kann insofern neue Kommunikationswege für Demenzkranke eröffnen, ihre Ausdrucksmöglichkeiten verbessern und ihnen eine Möglichkeit bieten, weiter am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
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