Gesichtsschmerzen, die dauerhaft bestehen oder immer wiederkehren können eine massive körperliche und psychische Belastung darstellen und die Lebensqualität von Betroffenen erheblich einschränken. Lässt sich keine erkennbare Ursache finden und der Schmerz kann keiner anderen Erkrankung zugeordnet werden, handelt es sich um einen so genannten anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerz. „Bei einem idiopathischen Gesichtsschmerz leiden die Betroffenen in der Regel unter einem täglichen Dauerschmerz mit gleichbleibender oder auch wechselnder Intensität. Der Hauptschmerzpunkt liegt meist im Bereich der Wange und kann in Richtung Augenhöhle, Nase, Kiefer und Ohr aber auch bis zum Kinn und Nacken ausstrahlen. Die Schmerzen werden als dumpf, drückend mit brennenden Empfindungen beschrieben. Bei den meisten Betroffenen liegt der Schmerz einseitig vor“, berichtet Dr. Frank Bergmann vom Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN) mit Sitz in Krefeld. „Typisch ist ebenfalls, dass der Schmerz schlecht eingrenzbar ist, während der Nachtruhe in der Regel aber keine Beschwerden bestehen. Es treten keine Sensibilitätsstörungen auf, doch berichten einige Betroffene von Schwellungsgefühl, Prickeln oder Überwärmung im Gesicht.“ Die Schmerzen treten anfangs phasenweise auf und werden dann aber meist chronisch. Nur bei wenigen Personen verschwinden sie für mehrere Wochen oder Monate und treten dann erneut auf. Häufig wird von den Betroffenen eine Verschlimmerung der Schmerzen durch Kälteeinwirkung sowie in Stresssituationen beschrieben. Zwei Drittel der Patienten sind Frauen – vor allem zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr.
Ursache des idiopathischen Gesichtsschmerzes ist unklar
Maßgebend für die Diagnose ist, dass keine erkennbare Ursache für den Schmerz festgestellt werden kann. Andere Auslöser für Gesichtsschmerzen wie unter anderem eine Gürtelrose, eine Trigeminus-Neuralgie, Probleme im Kiefer- und Zahnbereich, eine Nasennebenhöhlenentzündung oder Erkrankungen des zentralen Nervensystems wie die Multiple Sklerose müssen ausgeschlossen sein. „Viele der Betroffenen haben eine Verletzung, Entzündung oder Operationen im HNO- oder Zahn-, Mund- und Kiefergebiet hinter sich. In manchen Fällen war ein Schmerzempfinden der Auslöser für die erste Operation, wobei die ursprüngliche Ursache für diesen Schmerz wiederum unklar bleibt“, ergänzt Dr. Bergmann. „Solche Behandlungen können Schäden an Gelenken, Bändern, Muskeln oder Nerven auslösen und einer Chronifizierung Vorschub leisten. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang Verletzungen terminaler Nerven, die zu anhaltenden postoperativen Schmerzen führen.“ Zuweilen ist der Leidensdruck bei Betroffenen so groß, dass sie geradezu auf Zahnbehandlungen, Operationen der Nasennebenhöhle oder Injektionsbehandlungen gegen die Schmerzen drängen. Patienten mit atypischem Gesichtsschmerz sollten sich jedoch keinen Operationen im Gesicht unterziehen. Bei einem Teil der Patienten liegen zusätzliche Schmerzsymptome vor, wie chronischer Rücken- oder Nackenschmerz.
Verhaltenstherapie und antidepressive Maßnahmen hilfreich
Erster therapeutischer Schritt ist ein ausführliches Aufklärungsgespräch mit den Betroffenen. Für Patienten mit langer Vorgeschichte, frustranen diagnostischen Prozeduren und ernüchternden Therapieversuchen kann die Aufklärung bereits eine große Entlastung darstellen. „Hierbei muss klargestellt werden, dass bei diesem Gesichtsschmerz eine organische Schmerzursache nicht fassbar ist. Wichtig ist zudem, dass die Betroffenen lernen und dazu motiviert werden, die Erkrankung nicht passiv zu erdulden, sondern sich aktive Bewältigungsstrategien aneignen“, betont der Nervenarzt. „Hierfür sind verhaltenstherapeutische Verfahren hilfreich, das Erlernen von Progressiver Muskelentspannung sowie Strategien zur Stress- und Krankheitsbewältigung.“ Auch eine körperliche Aktivierung ist vorteilhaft, wobei Sportarten - wie z.B. Walken - gewählt werden sollten, die nicht zu stärkeren Erschütterungen führen, da hierdurch die Beschwerden gefördert werden können. Sind diese Maßnahmen nicht ausreichend wirksam, kann die Therapie mit bestimmten Antidepressiva unterstützt werden. Trizyklische Antidepressiva haben eine positive schmerzverändernde Wirkung und reduzieren zugleich depressive Symptome wie Niedergeschlagenheit und Ängstlichkeit, die zuweilen Teil des Krankheitsbildes sind.
Nach Studienlage liegt das Auftreten von anhaltenden idiopathischen Gesichtsschmerzen bei 4,4/100.000 Personenjahre. Der Anteil unter allen Patienten mit Gesichtsschmerzen betrug 11 %.