Wenn ein Mensch plötzlich einen starken epileptischen Anfall mit motorischen Symptomen wie Verkrampfungen, Zuckungen oder erheblicher sonstiger Bewegungsunruhe (Grand Mal) erleidet, gilt es Ruhe zu bewahren und zunächst dafür zu sorgen, dass er sich dabei möglichst nicht verletzt. „Erste-Hilfe-Maßnahmen bei einem epileptischen Anfall können zunächst die Polsterung oder Umlagerung des Betroffenen sein, um ihn vor Verletzungen wie Stößen zu schützen. Auch sollten Gegenstände, die eine Verletzungsgefahr darstellen, außer Reichweite gebracht werden“, rät Prof. Dr. Bernhard Steinhoff von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) in Berlin. „Keinesfalls sollten Umstehende während der krampfenden Phase die Extremitäten des Betroffenen zu fixieren versuchen, weil dadurch allenfalls zusätzliche Verletzungen resultieren können. Auch sollte kein Beißschutz in die Mundhöhle eingefügt werden. Bei Zungenbissverletzungen kommt dieser fast immer zu spät. Die Wahrscheinlichkeit schwerer zusätzlicher Verletzungen des Betroffenen oder auch des Helfers ist hoch.“
Viel wichtiger sind die sorgfältige Beobachtung und der möglichst gelassene Umgang mit der zweifellos häufig dramatischen Situation. „Die Gabe eines Notfallmedikation sollte allenfalls erfahrenen Angehörigen vorbehalten bleiben, die die Maßnahme mit dem behandelnden Neurologen zuvor besprochen haben und entsprechend geschult sind, mit der Situation fertig zu werden“, ergänzt Prof. Steinhoff, der Ärztlicher Direktor des Epilepsiezentrums Kork ist. Gegebenenfalls muss der Zahnersatz entfernt werden, in der Regel aber erst nach Abklingen des Anfalls. Es sollte darauf geachtet werden, dass die Atemwege des Betroffenen frei bleiben. Umstehende sollten solange bei der Person bleiben, bis sie sich erholt hat. Auch ist es für eine nachfolgende medizinische Behandlung gut, wenn die Symptome und die Dauer des Anfalls notiert werden. Die meisten Anfälle klingen nach kurzer Zeit, in der Regel innerhalb von längstens drei Minuten, von alleine ab. Ist das nicht der Fall, kann ein anhaltender epileptischer Anfall, ein so genannter Status epilepticus vorliegen, der umgehend klinisch versorgt werden muss. Dieser Zustand ist potenziell lebensbedrohlich, da einerseits durch die körperliche Belastung und andererseits durch die Beeinträchtigung der Steuerung des zentralen Nervensystems wichtige Körperfunktionen ausfallen können - darunter die Steuerung von Atmung, Blutdruck und Körpertemperatur. „Dauert ein einzelner schwerer epileptischer Anfall wie etwa ein so genannter Grand-Mal länger als fünf Minuten, muss der Notarzt gerufen werden. Das gilt auch bei «einfachen» Anfällen sowie einer Serie von Anfällen oder Bewusstseinstörungen ohne heftige motorische Symptome wie so genannte Absencen, die länger als 20 bis 30 Minuten andauern“, erklärt Prof. Steinhoff. „Auch wenn zwischen einer Serie von Anfällen das Bewusstsein nicht vollständig wiedererlangt wird, handelt es sich um einen akut behandlungsbedürftigen Notfall.“ Lang andauernde elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn können eine erhebliche Schädigung zufolge haben. Die medikamentöse Unterbrechung des Status und das Verhindern von Folgeschäden sind dann die vorrangigen Therapieziele. Umgekehrt sollte respektiert werden, wenn ein Betroffener nach Ende eines isolierten Anfalls und ohne erkennbare unmittelbare anfallsbedingte Schädigungen eine notfallmedizinische Versorgung oder einen Krankenhaustransport ablehnt, der bei bekannter Epilepsie dann auch nicht erforderlich ist.Bei der Epilepsie handelt es sich um die häufigste chronische Erkrankung des Zentralnervensystems. Sie betrifft Frauen und Männer gleichermaßen. Etwa 0,8% der Bevölkerung weltweit leiden daran. Ein Status epilepticus kann grundsätzlich bei allen Arten von epileptischen Anfällen auftreten.
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