Bei etwa 80 Prozent aller Schlaganfälle ist der Auslöser eine Minderdurchblutung des Gehirns. Häufig wird diese durch ein Blutgerinnsel verursacht, das ein Hirngefäß verstopft. Mit einer neuen Technik können Neuroradiologen die Länge des Gerinnsels messen. Diese ist von entscheidender Bedeutung für die Wahl des Therapieverfahrens. Denn neueste Untersuchungen zeigen, dass sich Gerinnsel ab einer bestimmten Länge nicht mehr medikamentös auflösen lassen. In diesen Fällen kann eine Katheterbehandlung helfen. Über diese neuen Ansätze in Schlaganfalldiagnostik und -therapie informieren Experten der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR) am 31. März 2011 im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin.
Die Standardbehandlung des Schlaganfalls ist die sogenannte Thrombolyse, kurz Lyse. Die Patienten erhalten ein Medikament, das das Gerinnsel im Gehirn auflöst. „Die Lyse ist jedoch nur erlaubt, wenn sich vorher eine Blutung als Ursache des Schlaganfalls ausschließen lässt”, erläutert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR), Professor Dr. med. Olav Jansen, der zugleich Direktor des Instituts für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel ist. Hierfür müssen die Ärzte vor der Therapie eine Computer- oder Magnetresonanztomografie durchführen. „In Krankenhäusern mit Stroke Units, speziellen Schlaganfall-Stationen, ist diese Untersuchung Standard“, so Jansen.
An vielen Kliniken gibt es bereits Geräte, mit denen sich eine Dünnschicht-Computertomografie durchführen lässt. Diese ermöglicht es den Ärzten, das Gehirn in millimeterdünnen Scheiben darzustellen. Auf den Bildern sind auch die Blutgerinnsel erkennbar. Mit einer in Kiel entwickelten Technik kann dann die Länge dieser Thromben auf den Millimeter genau ausgemessen werden. Eine wichtige Zusatzinformation, denn die Länge der Gerinnsel ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Thrombolyse. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Lyse bei kleinen Gerinnseln mit einer Länge von weniger als sechs Millimetern gute Ergebnisse erzielen kann. Wenn die Gerinnsel länger sind, bleibt sie in der Regel erfolglos”, erklärt Jansen.
Bei größeren Gerinnseln kann jedoch unter Umständen eine Katheterbehandlung helfen. Hierfür schieben Neuroradiologen einen feinen Katheter über die Leistenarterie bis in die Hirnarterie vor. Dann können sie das Thrombolyse-Medikament direkt vor das Gerinnsel spritzen. Oder sie versuchen gleich, den Thrombus mit Hilfe des Katheters zu entfernen. Diese als Thrombektomie bezeichnete Therapie wird in jüngster Zeit zunehmend erfolgreich in ausgewiesenen Zentren angewandt. Auch die Platzierung eines Stents wie bei der Behandlung des Herzinfarkts ist möglich. „Die Erfolgsrate der Thrombektomie liegt auch bei längeren Gerinnseln mittlerweile bei mehr als 90 Prozent“, so Jansen.
Vor diesem Hintergrund könnte die Zukunft der Schlaganfalltherapie so aussehen: Nach dem Eintreffen des Patienten in der Klinik wird mit der Computertomografie genau festgestellt, wo das Blutgerinnsel liegt und wie lang es ist. Danach entscheiden die Ärzte, ob sie eine Lyse oder eine Katheterbehandlung durchführen. Wichtig für den Erfolg beider Therapien bleibt jedoch, dass die Patienten die Klinik rechtzeitig erreichen. Wenn mehr als sechs Stunden seit Eintreten der Schlaganfallsymptome vergangen sind, ist das Hirngewebe zumeist dauerhaft geschädigt.Quelle: Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie (DGNR)