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Tics im Erwachsenenalter: Verständnis und Akzeptanz durch Umfeld wichtig

Ein erstmaliges Auftreten von Tics im Erwachsenenalter ist eher die Ausnahme. Im Kindesalter sind sie jedoch ein relativ häufiges Phänomen und können bis in das Erwachsenenalter überdauern. Tic-Störungen können dabei sehr verschiedene Ausprägungsgrade aufweisen und unterschiedlich stark belasten.

Tics sind unwillkürliche, wiederholte, nicht rhythmische Bewegungen oder Lautäußerungen, die plötzlich einsetzen, keinem Zweck dienen und als bedeutungslos erlebt werden. Sie sind im Kindesalter ein relativ häufiges Phänomen und klingen bis zum frühen Erwachsenenalter meist schrittweise vollständig ab. Bei einem Teil der Betroffenen überdauert die Erkrankung jedoch oder tritt im Erwachsenenalter wieder auf. Tic-Störungen können dabei sehr verschiedene Ausprägungsgrade aufweisen und unterschiedlich stark belasten. Bei großem Leidensdruck können verhaltenstherapeutische Maßnahmen oder auch Medikamente hilfreich sein sowie das Erlernen von Entspannungstechniken. Insbesondere wenn zusätzliche psychische Erkrankungen vorliegen, ist eine therapeutische Begleitung wichtig. „Es gibt Betroffene, die sowohl motorische als auch vokale Tics haben, jedoch darunter nicht leiden, weil sie nur schwach ausgeprägt und sozial unauffällig sind. Andere haben wiederum stark ausgeprägte Tics, die psychosoziale Konsequenzen haben und die Ausbildung oder das Berufsleben erschweren und Leistungsfähigkeit sowie Lebensqualität sehr einschränken können“, berichtet Prof. Dr. Ulrich Voderholzer von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit Sitz in Berlin. „Eine therapeutische Begleitung ist bei Kindern und Erwachsenen angeraten, wenn sie unter der Störung leiden oder psychische Begleiterkrankungen entwickelt haben.“ Die Anzahl und Ausprägung von Begleiterkrankungen nimmt oftmals parallel mit dem Schweregrad der Tics zu. Auch die soziale Problematik, die mit dem Erkrankungsbild verbunden ist, wiegt bei ausgeprägten Tics schwerer.

Schwere Tic-Störungen können überaus belasten und sozial isolieren

Neben einfachen Tics, die meist im Bereich von Gesicht und Kopf lokalisiert sind, können auch komplexe Bewegungsabläufe Teil des Störungsbildes sein, an denen mehrere Muskelgruppen beteiligt sind. Treten kombinierte vokale Tics und multiple motorische Tics auf, spricht man vom Tourette-Syndrom. „Hochfrequente, stark ausgeprägte und sehr laute Tic-Störungen können Betroffene mitunter stark belasten. Neben der körperlichen Anstrengung stellt der Umgang mit dem sozialen Umfeld eine große Herausforderung dar, was Betroffenen oftmals größere Schwierigkeiten bereitet. „Andere Menschen erschrecken zuweilen, wundern sich oder empfinden vielleicht sogar einen Moment lang Angst, weil solche Symptome nicht in ein erwartetes Verhaltensmuster passen. Aus Sorge, den Betroffenen zu kränken, wird bei kurzweiligen Begegnungen über solch eine Situation meist auch nicht gesprochen. Menschen mit Tic-Störungen sind daher nicht selten mit einem Gegenüber konfrontiert, das verlegen und verunsichert reagiert oder auch peinliches Unbehagen verspürt. Solche alltäglichen zwischenmenschlichen Situationen können überaus belastend und schmerzlich sein“, schildert Prof. Voderholzer. „Dadurch können Erkrankte manchmal Ängste vor einer negativen Konfrontation entwickeln und in der Folge soziale Kontakte meiden. Selbstwertprobleme bis hin zu Depressionen sind häufige Folgen.“ Bei 80 bis 90 Prozent aller Patienten mit Tourette-Syndrom bestehen nicht nur Tics, sondern auch weitere psychische Erkrankungen wie z.B. Zwangsstörungen oder ADHS.

Entspannungstechniken können stress-bedingte Auslöse-Situationen mildern

Die Tics können von den Betroffenen oft für eine gewisse Zeit aktiv unterdrückt werden. Situativ nehmen sie oft bei bestimmten Gemütslagen zu, wie bei Angst, Ärger, Freude, aber auch Stress. Bei starker Konzentration und Entspannung lassen sie hingegen oft nach. „Da eine Verstärkung der Tics oftmals in Stress-Situationen und emotionalen Belastungsspitzen auftritt, können Entspannungsverfahren - wie die Progressive Muskelrelaxation - hilfreich sein. Sie vermögen zwar nicht die Ursache zu beheben, können aber typische Auslösesituationen abmildern und innere Spannungen abbauen“, rät Prof. Voderholzer. Daneben stellt die so genannte «Gewohnheitsumkehr» (Habit Reversal Training (HRT)) einen erfolgreichen therapeutischen Ansatz dar. Hierbei können andere, den Tics entgegenwirkende, Verhaltensweisen erlernt werden, die dem Betroffenen helfen, seine unerwünschten Verhaltensgewohnheiten zu kontrollieren. Grundsätzlich ist jedoch nur eine symptomatische Therapie bei Tics möglich. Die zu Grunde liegende Ursache ist nicht behandelbar. Verhaltenstherapeutische Verfahren sind u.a. für die symptomzentrierte Behandlung von Tics angezeigt. So kann die symptomzentrierte Verhaltenstherapie Häufigkeit und Intensität der Tics verringern und zielt auf ein Selbstmanagement zur Kontrolle der motorischen und vokalen Tics hin.
Eine medikamentöse Therapie der Tics misst sich häufig am Schweregrad der Erkrankung und der damit verbundenen psychosozialen Beeinträchtigung. Mildere Verlaufsformen bleiben demnach häufig medikamentös unbehandelt. Patienten, die eine ausgeprägte Symptomatik zeigen unterziehen sich aufgrund des erhöhten Leidensdruckes meistens einer medikamentösen Behandlung.

Tics gehen weit über die Kontrolle der Betroffenen hinaus

„Daneben ist aber auch ein aufgeklärtes, verständnisvolles Umfeld hilfreich, das vorurteilsfrei und akzeptierend ist“, betont Prof. Voderholzer. „Ein gutes Umfeld kann die Bewältigung einer Tic-Störung für Betroffene derart vereinfachen, dass eine Behandlung nicht in Betracht gezogen werden muss.“ Zudem sollte das soziale Umfeld aufgeklärt werden, dass es sich innerhalb der Symptomatik um keine Provokation des Betroffenen, sondern ganz im Gegenteil, um eine medizinische Erkrankung handelt, die weit über die Kontrolle des Betroffenen hinausgeht.

Ein erstmaliges Auftreten von Tics im Erwachsenenalter ist eher die Ausnahme. Die meisten betroffenen erwachsenen Menschen haben die Störung seit ihrer Kindheit und können zwischendurch symptomfreie Phasen erleben. Als Ursache für die Tic-Störungen werden Fehlregulationen in bestimmten Schaltkreisen und Neurotransmittersystemen des Gehirns angenommen. Bei der Entwicklung können verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Dabei hat die genetische Ausstattung einen erheblichen Einfluss. Auch Infektionserkrankungen und bestimmte Risikokonstellationen während der Schwangerschaft bzw. im Mutterleib scheinen beteiligt zu sein.

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