Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Viele Erwachsene leiden unbekannterweise unter ADHS – Diagnose kann sehr entlastend sein

Bei etwa der Hälfte der Betroffenen bleibt die Erkrankung bestehen und beeinträchtigt sie im Erwachsenenalter mitunter erheblich in ihrer Ausbildung und dem Berufsleben. Noch bevor sich wichtige Weichen im Leben gestellt haben, ist es wichtig, bei entsprechenden Symptomen professionelle Hilfe anzunehmen. ADHS ist auch im Erwachsenenalter gut behandelbar.

Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung beginnt in der Regel in der Kindheit. Bei etwa der Hälfte der Betroffenen bleibt die Erkrankung bestehen und beeinträchtigt sie im Erwachsenenalter mitunter erheblich in ihrer Ausbildung und dem Berufsleben. Viele wissen gar nicht, dass sie diese Störung haben und, dass ihnen geholfen werden kann. Auch weil sich im Erwachsenenalter die Symptomatik verschiebt und Betroffene gelernt haben, sich anzupassen. „Bei Erwachsenen sind ADHS-Symptome deutlich vielfältiger und das Krankheitsbild ist dadurch schwerer zu erkennen. Die typischen Symptome Aufmerksamkeitsstörung, Impulsivität und Hyperaktivität sind auch im Erwachsenenalter vorhanden aber anders ausgeprägt. Hinzu kommt, dass ein Teil der Betroffenen Folgeerkrankungen entwickelt hat - wie eine Drogen- oder Alkoholabhängigkeit -, welche die Ersterkrankung überdecken können“, berichtet Prof. Dr. Alexandra Philipsen von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. ADHS im Kindesalter geht mit einem deutlich erhöhten Suchtrisiko sowie Risiken für andere psychische Erkrankungen im weiteren Leben einher. Eine möglichst frühzeitige Diagnose und Hilfestellung sind daher von großer Bedeutung für den weiteren Lebensweg der Betroffenen. Wird die Erkrankung nicht erkannt und behandelt, gelingt es den Betroffenen nur schwer, ihren Alltag erfolgreich zu bewältigen. Rund zwei bis drei Prozent der Bevölkerung haben ADHS.

Innere Unruhe, Ungeduld und Konzentrationsschwächen im Erwachsenenalter

Im Erwachsenenalter haben viele ADHS-Betroffene gelernt, sich dem sozialen Umfeld anzupassen, wenngleich die Aufmerksamkeitsdefizite noch ähnlich ausgeprägt sind, wie im Kindesalter. Die Impulsivität tritt aber oft eher in Form von Ungeduld, unüberlegten Äußerungen oder spontanen Handlungen in Erscheinung. Die Hyperaktivität ist in Nervosität, Angespanntheit und eine ausgeprägte innere Unruhe übergegangen, was sehr belastend sein kann. „Betroffene stehen oft ständig unter Strom, sind ruhelos, extrem ungeduldig und neigen zu abrupten Stimmungsschwankungen. Sie sind leicht ablenkbar – etwa auch durch Geräusche oder andere Umweltreize - und haben Schwierigkeiten, ihre Aufmerksamkeit auf weniger stimulierende Aufgaben zu fokussieren“, erklärt Prof. Philipsen. „Dies ist insbesondere im Berufsleben ein erheblicher Nachteil und verlangt Erkrankten eine kräftezehrende Kompensationsleistung ab. Viele scheitern früher oder später an Aufgaben in der Ausbildung oder im Berufsleben. In der Summe können solche Lebenserfahrungen sehr schmerzlich sein und das Selbstwertgefühl erheblich beeinträchtigen. Auch das Risiko für Depressionen ist erhöht.“ Die Kombination aus fahrigen Gedanken, Ruhelosigkeit und Abgelenktheit wirkt sich insgesamt ungünstig auf das Umfeld aus und erschwert Erkrankten das private und berufliche Leben enorm. In vielen Lebensbereichen kommt es zu Konflikten, Spannungen und Streit. Auch das Beziehungsleben ist oft problematisch. Gerade auch wenn eigene Kinder hinzukommen und sich Chaos und Ärger des Alltags, finanzielle Probleme oder gar juristische Probleme häufen, sind Trennungen oder auch Scheidungen nicht selten.

Behandlung hängt vom Grad der Beeinträchtigungen ab

Noch bevor sich wichtige Weichen im Leben gestellt haben, ist es wichtig, bei entsprechenden Symptomen professionelle Hilfe anzunehmen. ADHS ist auch im Erwachsenenalter gut behandelbar. Haben Menschen den Verdacht an ADHS zu leiden, können sie sich an einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie wenden oder an eine Spezialambulanz- oder -sprechstunde für ADHS-Betroffene. Ob eine Behandlung notwendig ist, hängt davon ab, wie sehr Betroffene in ihrem Leistungsvermögen und Sozialleben eingeschränkt sind. „Bei ADHS sind bestimmte Regelkreise im Gehirn gestört, die beim Ordnen von Gedanken sowie beim Steuern von Aktivität, Aufmerksamkeit und Motivation eine entscheidende Rolle spielen. Bereits die Aufklärung über das Störungsbild kann sehr entlastend sein. Betroffene machen sich weniger Selbstvorwürfe, wenn Sie ihre erkrankungsbedingten Einschränkungen erkennen und nicht länger als Charakterschwäche fehlinterpretieren“, meint die Expertin. „Eine verbesserte Selbstorganisation im Alltag, Stressmanagement und Hilfestellung bei der Stimmungsregulierung und der Impulskontrolle sind weitere wichtige Bausteine für einen besseren Umgang mit der Erkrankung. Hilfreich kann zudem eine Verhaltenstherapie sein.“ Eine medikamentöse Behandlung kommt erst dann in Betracht, wenn andere Verfahren nicht ausreichend wirksam sind. Seit einigen Jahren sind Präparate mit dem Arzneistoff Methylphenidat, bekannt unter dem Handelsnamen Ritalin, auch für Erwachsene zugelassen. Bei einem Teil der Erkrankten ermöglicht allerdings erst die Medikamentenwirkung, dass nicht-medikamentöse Therapieverfahren greifen.

In der Bevölkerung hält sich die falsche Annahme, dass ADHS eine Krankheit sei, unter der vor allem Kinder und Jugendliche leiden. Wird die Erkrankung nicht erkannt und behandelt, gelingt es im Erwachsenenalter nur schwer, den Alltag erfolgreich zu bewältigen. Eine neue Kampagne der DGPPN-Nachwuchsinitative zum Thema "ADHS" möchte mit Klischees und Vorurteilen aufzuräumen - auch um junge Menschen für den Psychiaterberuf zu begeistern. Mehr Informationen unter

www.generation-psy.de/kampagnen/adhs/

(äin-red) Der Abdruck dieser Pressemeldung oder von Teilen des Artikels ist unter folgender Quellenangabe möglich: www.psychiater-im-netz.org. Bei Veröffentlichung in Online-Medien muss die Quellenangabe auf diese Startseite oder auf eine Unterseite des Patientenportals verlinken. Fotos und Abbildungen dürfen grundsätzlich nicht übernommen werden.