Alleine auf eine Reise gehen. Stundenlang im Flugzeug sitzen, in zwölf Kilometern Höhe über dem Atlantik. Mit Turbulenzen und allen Unbequemlichkeiten, die zu einem Langstreckenflug ebenso dazu gehören. Vor dieser Situation hat Michaela B. Angst. Wäre nur eine Freundin auf der Reise dabei! Dann würde sie sich bestimmt besser fühlen.
Dabei müsste Michaela B. vor der Situation im Flieger gar nicht bange sein. Auf die Freundin als Begleitung könnte sie locker verzichten. Denn es würde ihr schon helfen, wenn einfach irgendjemand neben ihr sitzt. Und dieser Jemand müsste sich nicht einmal mit ihr unterhalten oder sich ihr in anderer Weise zuwenden. Seine bloße Präsenz würde genügen, um die Angst zu verringern. Das ergibt sich aus einer Studie, die eine Gruppe um Professorin Grit Hein von der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg durchgeführt hat. Die Resultate sind im Journal Proceedings of the Royal Society B: Biological Science veröffentlicht.
Angstmindernde Wirkung fällt mit zunehmender Unähnlichkeit zur Person stärker aus
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Angst und die daraus resultierende physiologische Anspannung durch die bloße Anwesenheit einer anderen Person vermindert werden können, auch wenn diese Person unbekannt ist und keine aktive Unterstützung leistet“, erklärt Grit Hein. Sie hat an der JMU eine Professur für Translationale Soziale Neurowissenschaften inne und forscht über Angsterkrankungen.
Die verminderte Angstreaktion trat unabhängig davon auf, ob die unbekannte Person der gleichen oder einer anderen Ethnie angehörte. „Interessanterweise war der angstmindernde Effekt umso stärker, wenn die Probanden die andere Person als weniger ähnlich wahrnahmen – wahrscheinlich, weil sie dann davon ausgingen, dass der andere im Gegensatz zu ihnen selbst keine Angst hat“, so die JMU-Professorin.
Folgestudien mit Männern und Frauen
Bisher wurden nur Frauen in Anwesenheit von Frauen getestet. In Folgestudien möchte das Würzburger Forschungsteam nun auch die Effekte messen, wenn sich Männer mit Männern oder Männer mit Frauen der unheimlichen Situation im Labor aussetzen. Dabei werden sich eventuell Unterschiede zeigen. „Es gibt Hinweise aus der Stressforschung, dass das Geschlecht der anwesenden Person eine Rolle spielen könnte“, sagt die JMU-Professorin. Die Erkenntnisse aus diesen Forschungen lassen sich womöglich für die Therapie von Angsterkrankungen nutzen.
Originalpublikation:
Qi Y, Herrmann M, Bell L, Fackler A, Han S, Deckert J, Hein G: The mere physical presence of another person reduces human autonomic responses to aversive sounds. 22. Januar 2020, Proc. R. Soc. B 287: 20192241. dx.doi.org/10.1098/rspb.2019.2241
Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg auf idw