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Chronische psychische Beschwerden bei operativen Patienten

Ein operativer Eingriff bedeutet für viele Menschen eine starke psychische Belastung verbunden mit hohem emotionalen Stress. Untersuchungen zeigen, dass diese Beschwerden oftmals keine vorübergehenden Sorgen hinsichtlich der bevorstehenden Operation sind.

Ein operativer Eingriff bedeutet für viele Menschen eine starke psychische Belastung verbunden mit hohem emotionalen Stress. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Universitätsklinikums Leipzig konnten nun zeigen, dass diese Beschwerden oftmals keine vorübergehenden Sorgen hinsichtlich der bevorstehenden Operation sind, sondern häufig Hinweise auf klinisch bedeutsame und behandlungsbedürftige psychische Störungen darstellen. Die Ergebnisse der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Studie, an der 1.157 operative Patienten teilgenommen hatten, sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift PLoS ONE* veröffentlicht.

Die Forschergruppe um Privatdozent Dr. Henning Krampe, Psychologe an der Klinik für Anästhesiologie der Charité, Prof. Claudia Spies, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie der Charité, und Prof. Elmar Brähler, Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig, hat in ihrer Untersuchung zunächst erfasst, wie viele Patienten mit einer bevorstehenden Operation an psychotherapeutischen Gesprächen interessiert waren und inwieweit dieses Interesse mit der erhöhten psychischen Belastung vor der Operation in Zusammenhang stand. Schließlich untersuchten die Wissenschaftler, ob es im Verlauf von sechs Monaten nach dem chirurgischen Eingriff zu Veränderungen der psychischen Beschwerden kam.

„Es ist auffallend, wie beharrlich Depressivität, Ängste, allgemeine psychische Beschwerden und Alkoholprobleme nach einem halben Jahr bei den Patienten mit Psychotherapieinteresse erhöht bleiben“ sagt Privatdozent Dr. Henning Krampe, Leiter des BRIA-Projektes (Brückenintervention in der Anästhesiologie) der Klinik für Anästhesiologie der Charité. „Diese Stabilität der Belastung in den verschiedensten Bereichen psychischer Störungen legt die Schlussfolgerung nahe, dass es sich dabei nicht um vorübergehende Sorgen und Stress wegen der Operation, sondern um chronische psychische Beschwerden handelt, die eine psychotherapeutische Behandlung erforderlich machen.“

Nicht nur aus psychotherapeutischer, sondern auch aus medizinischer Perspektive ist es notwendig, psychische Beschwerden chirurgischer Patienten zu behandeln. Unbehandelte Depression, Ängste und Suchterkrankungen tragen zu operativen Komplikationen sowie zu einer schlechteren Genesung nach der Operation bei. Sie befördern so insgesamt einen ungünstigeren Krankheitsverlauf der organmedizinischen Krankheit bis hin zu erhöhter Mortalität.

„In weiteren Untersuchungen konnten wir zeigen, dass über 30 Prozent der operativen Patienten unter klinisch bedeutsamer Depressivität leiden und dass erhöhte Depressivität bei diesen Patienten einen wesentlichen Risikofaktor für eine längere Krankenhausverweildauer darstellt“, erklärt Prof. Claudia Spies. „Das Ziel des von uns im Jahr 2009 entwickelten BRIA-Programms ist, psychische Beschwerden von operativen Patienten zu erkennen, diagnostisch zu bestimmen und wirksam zu behandeln. Langfristig trägt dieser Ansatz zur Steigerung der gesamten Lebensqualität und zu einer verbesserten Genesung der organmedizinischen Krankheiten unserer Patienten bei.“

Mit BRIA haben die Forscher des interdisziplinären Projektes ein neues Therapie-Programm entwickelt, das mit einer kurzen computergestützten Fragebogen-Untersuchung vor der Operation und einer sofortigen Rückmeldung über die Ergebnisse der Befragung beginnt. Die Patienten haben so die Möglichkeit, noch während des Krankenhausaufenthaltes psychotherapeutische motivierende Gespräche, eine ausführliche psychologische Diagnostik und unterstützende Therapiekontakte zu erhalten. „Schließlich bekommen Patienten mit diagnostizierten psychischen Störungen und Therapieinteresse individuell ausgerichtete psychotherapeutische Brückengespräche, die ihnen dabei helfen, möglichst schnell und effektiv Zugang zu langfristigen Therapieangeboten der psychosozialen Regelversorgung zu finden“, erläutert Henning Krampe. Eine erste klinische Studie konnte zeigen, dass sich das gestufte Vorgehen von BRIA erfolgreich in den Kontext der anästhesiologischen und chirurgischen Krankenhausversorgung integrieren lässt. * Kerper LF et al. Persistence of Psychological Distress in Surgical Patients with Interest in Psychotherapy: Results of a 6-Month Follow-Up. PLoS ONE 7(12): e51167. doi:10.1371.http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0051167 - Artikel in PloS OneQuelle: Informationsdienst Wissenschaft