In Deutschland leiden etwa 1,2 Millionen Menschen an Demenz . Bei der Betreuung der Betroffenen kommt den Hausärzten eine Schlüsselfunktion zu: Sie sind die erste vertraute Anlaufstelle und kennen Patienten und deren Umfeld oft schon jahrelang. Weil Patienten ihren Hausarzt regelmäßig aufsuchen, sind die Hausärzte meist am besten in der Lage, schon leichte Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit und des Verhaltens frühzeitig zu bemerken.
„Studien zeigen jedoch, dass Hausärzte die Diagnose Demenz oft gar nicht oder erst sehr spät stellen“, sagt Privatdozent Dr. med. Andreas Fellgiebel, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Gründe könnten sein, dass Mediziner mit den Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung nicht vertraut sind und die Alzheimer-Demenz oft nicht von anderen behandelbaren Ursachen unterscheiden können.
In Rheinland-Pfalz beteiligten sich deshalb 100 Hausärzte aus den Regionen Mainz, Alzey und Andernach an einem hausarztbasierten Modellprojekt zur Demenzversorgung. Dabei konnten die Hausärzte selbst wählen, ob sie Demenzpatienten an einen Facharzt überweisen oder ob sie Diagnose und Therapie der Betroffenen selbst übernehmen wollten. Voraussetzung, um Demenzerkrankte selbst zu behandeln, war die Teilnahme an einer zweieinhalbtägigen Schulung. Hier führten Fachärzte die Hausärzte in die Diagnose und Therapie von Demenzkrankheiten ein. Außerdem stellten Mitarbeiter von Pflegestützpunkten den Hausärzten regionale Hilfsangebote vor. Ein Drittel der Hausärzte, die sich an der Studie beteiligten, entschieden sich für die Fortbildung und dafür, Demenzerkrankungen selbst zu diagnostizieren und zu behandeln.
„Folgt man den Selbstauskünften der Hausärzte, so sind diese durch die Schulung für eine frühe Demenzdiagnostik sensibilisiert worden“, so Privatdozent Dr. med. Fellgiebel. Zwei Drittel gaben bei der abschließenden Befragung an, dass sie auch nach Ende der Studie Demenzerkrankungen zukünftig selbst diagnostizieren wollten, statt die Patienten an einen Facharzt zu überweisen. Auch die Zusammenarbeit mit den Pflegestützpunkten stufte der Großteil der Ärzte als sehr hilfreich ein. Nach der Schulung waren die Hausärzte außerdem in der Lage, Demenzerkrankungen in einem früheren Stadium zu diagnostizieren, als die Vergleichsgruppe der überweisenden Ärzte, die oft nur schwere Fälle von Demenzerkrankten zur Diagnostik weitergeleitet hatten.
Die Studie ergab aber auch, dass viele Hausärzte vorallem in der exakten Diagnose einer Demenz unsicher sind. Auch eine Computer- oder Kernspintomografie sowie Labortests zur weiteren Sicherung der Diagnose wurden eher selten veranlasst. „Unsere Studie ist deshalb nur ein notwendiger erster Schritt in Richtung einer besseren Demenzversorgung durch den Hausarzt“, so Privatdozent Dr. med. Fellgiebel.
Quelle: DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2010; 135 (44 ): 2175-2180