Neurologen und Psychiater im Netz

Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen

Herausgegeben von den Berufsverbänden für Psychiatrie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik, Nervenheilkunde und Neurologie aus Deutschland.

Demenzerkrankungen: Unzureichende medizinische Behandlung verschärft Versorgungslage

Die Versorgungslage ist alarmierend: Ein Großteil der rund 1,4 Millionen Menschen, die heute in Deutschland an einer Demenz erkrankt sind, wird unzureichend medizinisch betreut. Nur ein Bruchteil der Betroffenen erhält eine leitliniengerechte Behandlung. Ihre Versorgung gilt als vorwiegend pflegerische Aufgabe – dabei hilft eine gute medizinische Betreuung, die Pflegenden zu entlasten, einen Heimeintritt der Betroffenen zu verzögern oder gar zu vermeiden und die Lebensqualität aller Beteiligten zu erhöhen. Aber auch die medizinischen Behandlungsangebote müssen eine stärkere Demenzsensibilität zeigen. So bewirken zum Beispiel Krankenhausaufenthalte viel zu häufig Verschlechterungen alltagsrelevanter Fähigkeiten. Auf ihrem Hauptstadtsymposium in Berlin fordert die DGPPN deshalb heute einen Nationalen Demenzplan.

Demenzerkrankungen wirken sich nicht nur schwerwiegend auf das Leben der Betroffenen aus, der hohe und lange Pflegeaufwand bedeutet auch eine enorme Belastung für die Angehörigen und die Gesellschaft. Dabei könnten demenziell erkrankte Menschen länger im häuslichen Umfeld leben, wenn sie adäquat medizinisch behandelt würden. „Pflegerischer Bedarf ist oftmals die Folge der unzureichenden medizinischen Betreuung. Viele der Patienten können sich nur schwer artikulieren, leiden zum Beispiel unter Schmerzen und werden unruhig. Gerade psychische – aber auch körperliche – Begleiterkrankungen werden oft nicht erkannt oder behandelt. Dadurch entstehen vermeidbare Problemsituationen für die demenziell erkrankten Menschen, ihre Angehörigen und die Pflegenden“, erklärt DGPPN-Präsident Professor Wolfgang Maier.

Die Versorgung von Demenzerkrankungen gilt in Deutschland als eine vorwiegend pflegerische Aufgabe. Dabei offenbart die Versorgungsforschung schon seit längerem Optimierungsbedarf in der medizinischen Versorgung. Die AgeCoDe-Studie zeigte, dass heute nur rund die Hälfte neuer Demenzerkrankungen überhaupt als solche erkannt wird. Kognitive Leistungsdiagnostik und bildgebende Verfahren kommen selten zum Einsatz. Nur ein Bruchteil der Demenzkranken erhält eine leitliniengerechte medikamentöse Behandlung. Im Zusammenhang mit den körperlichen Begleiterkrankungen ist sogar eine akute Unterversorgung festzustellen: Im Vergleich zu demenziell Unbeeinträchtigten erhalten Demenkranke in Pflegeheimen zum Bespiel deutlich seltener eine kontinuierliche Schmerztherapie.

Zwar ist Demenz derzeit nicht heilbar, aber es gibt viele therapeutische Möglichkeiten, um die Symptome zu lindern. Dabei sollten medizinische und pflegerische Maßnahmen in einem therapeutischen Gesamtkonzept eingesetzt werden. Bei einer frühzeitigen Diagnose und einem rechtzeitigen Beginn der Therapie ist es möglich, den Verlauf der Krankheit positiv zu beeinflussen. Die Betroffenen können über einen längeren Zeitraum in der häuslichen Umgebung leben und müssen weniger rasch pflegerische Unterstützung in Anspruch nehmen. Auf dem heutigen Hauptstadtsymposium unterstreicht Professor Wolfgang Maier deshalb die Forderung nach einem Nationalen Demenzplan: „Eine intensive, kompetente fachärztliche sowie pflegerische Betreuung ist heute noch nicht in ausreichendem Maß gewährleistet. Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels ist jedoch ein umfassender sektorenübergreifender Versorgungsansatz dringlicher denn je. Wir müssen demenziell erkrankte Menschen in den verschiedenen Settings – zu Hause, im Krankhaus oder im Pflegeheim – multiprofessionell, leitliniengerecht und qualitätsgesichert betreuen.“

Unterlagen

Programm Hauptstadtsymposium

Pressemitteilung – Demenzerkrankungen: Unzureichende medizinische Behandlung verschärft Versorgungslage (PDF; 198KB)

Statements der Expertinnen und Experten (PDF; 309KB)

Quelle: Pressemitteilung DGPPN