Zu den größten Herausforderungen des demographischen Wandels gehört die bereits heute schon unzureichende medizinische Versorgung von demenziell erkrankten Menschen. In den nächsten Jahrzehnten ist aufgrund der steigenden Lebenserwartung mit immer mehr Betroffenen zu rechnen. Demenziell erkrankte Menschen haben einen besonderen, vor allem auch medizinischen Hilfebedarf. Hierzu sind u. a. Behandlungsleitlinien entwickelt worden. Doch die Versorgungsforschung zeigt, dass nur ein Bruchteil der Betroffenen eine leitliniengerechte Behandlung erhält – zum Beispiel kommen bildgebende Verfahren zum Ausschluss behandelbarer Ursachen sehr häufig nicht zum Einsatz. Ein größerer Anteil von Neuerkrankungen mit Demenz wird auch gar nicht diagnostiziert. Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Nervenärzte sind nur in etwa 57 Prozent der Fälle in die Behandlung der Demenzkranken involviert und dies meist auch nur punktuell. Das hat unmittelbare Folgen: Die Patienten erhalten deutlich zu viele unspezifische, aber risikoreiche Arzneimitteltherapien, zum Beispiel Neuroleptika. Zudem werden gleichzeitig bestehende multiple körperliche Krankheiten oft unzureichend behandelt.
Der demographische geht mit einem gesellschaftliche Wandel einher mit direkten Auswirkungen auf die jüngeren Generationen. Die steigenden Kosten im Renten- und Gesundheitssystem tragen zu einer zunehmenden Arbeitsverdichtung bei. Infolgedessen nehmen auch psychosoziale Risikofaktoren am Arbeitsplatz und damit Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankungen zu. Hier ist mehr Prävention angezeigt. Falls diese nicht greift, sind psychisch erkrankte Menschen mit alarmierenden Versorgungsengpässen konfrontiert. Mindestens ein Drittel der Patienten mit diagnostizierten schweren Depressionen erhält zum Beispiel nicht die in der Nationalen Behandlungsleitlinie empfohlene antidepressive Therapie. Dies obwohl Depressionen unter den psychischen Erkrankungen mit Abstand am meisten Arbeitsunfähigkeitstage verursachen.
„Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung müssen heute handeln, damit wir psychisch erkrankte Menschen auch in Zukunft eine optimale Behandlung und Versorgung garantieren können. Sektorenübergreifende strukturierte Versorgungsansätze sind dabei unverzichtbar. Prävention, Behandlung und Rehabilitation müssen so ineinander greifen, dass psychisch erkrankte Menschen frühzeitig und ausreichend behandelt werden können und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gesichert ist“, fordert DGPPN-Professor Wolfgang Maier. Aus Sicht der Fachgesellschaft sollten dazu Versorgungspfade mit gestuften Leistungsmodulen von wenig Bedarf bis hin zu komplexen Bedarf definiert werden. Zusätzlich bedarf es verbindlich festgelegter sektorenübergreifender Kooperationen der Leistungserbringer im ambulanten und stationären Bereich. Als Vorbilder könnten international erprobte Stepped Care-Modelle dienen. „Bei der Weiterentwicklung des Versorgungssystems muss der Prävention psychischer Erkrankungen ein besonderer Stellenwert beigemessen werden. Denn in der Entwicklung von Präventionsstrategien sind entscheidende Fortschritte erreicht worden, die es nun umzusetzen gilt. Es wird zunehmend klar, dass eine effiziente Primär- und Sekundärprävention auf der Kenntnis spezifischer Krankheitsprozesse gründen muss. Die Alzheimer-Krankheit ist nur ein aktuelles Beispiel“ so Professor Maier weiter.
Der DGPPN Kongress ist Europas größtes Forum auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit. Rund 10.000 Ärzte, Wissenschaftler und Therapeuten werden vom 26. bis 29. November in Berlin erwartet. Das umfangreiche Programm spricht nicht nur die Fachwelt und Politik an, sondern richtet sich mit einer Reihe von Veranstaltungen auch an das breite Publikum.
Quelle: Pressemitteilung DGPPN