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Diskriminierung und soziale Unsicherheit begünstigen psychische Probleme bei Migranten

Psychische Erkrankungen treten unter Migranten häufiger auf im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt. Insbesondere Diskriminierung im privaten oder beruflichen Umfeld sowie soziale Unsicherheit begünstigen psychische Probleme in dieser Bevölkerungsgruppe.

Psychische Erkrankungen treten unter Migranten häufiger auf im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt. Insbesondere Diskriminierung im privaten oder beruflichen Umfeld sowie soziale Unsicherheit begünstigen psychische Probleme in dieser Bevölkerungsgruppe. „Die Menschen leiden häufig unter sozialer Ausschließung, Einsamkeit und Sprachproblemen. Diese Situation stellt eine seelische Belastung dar und erhöht das Risiko für das Auftreten einer psychischen Erkrankung“, erläutert Prof. Andreas Heinz vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) in Berlin. „Weitere Risikofaktoren sind Arbeitslosigkeit und unzureichende Wohnverhältnisse, von denen Migranten ebenfalls überdurchschnittlich betroffen sind. Besonders schwierig ist die Situation bei Flüchtlingen. Bei ihnen kommen häufig auch noch traumatisierende Erlebnisse hinzu, die Grund ihre Flucht waren oder sich während der Flucht ereigneten.

Vor allem die sprachlichen Barrieren sind ein großes Problem bei der Versorgung der Patienten. „Schwierigkeiten in der Verständigung zwischen Arzt und Patient können dazu führen, dass es zu Fehldiagnosen kommt, der Patient die Empfehlungen oder Anordnungen des Arztes nicht versteht und deshalb auch nicht befolgt oder die Notwendigkeit einer Behandlung nicht erkannt wird“, erklärt Heinz, der die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charite leitet. „Patienten mit Sprachschwierigkeiten, die wegen psychischer Probleme einen Arzt, eine Beratungsstelle, eine Selbsthilfegruppe oder andere Einrichtungen aufsuchen, benötigen deshalb oft die Hilfe eines Dolmetschers, der auch als „Kulturmittler“, d. h. „Experte“ der kulturellen Unterschiede fungieren kann.“ Aber in Arztpraxen und Krankenhäusern werden Dolmetscherkosten durch die Krankenkassen nach wie vor leider nicht erstattet. „Deshalb sollten die Betroffenen sich wenn möglich an einen Arzt wenden, der ihre Sprache beherrscht oder ein Mitglied des Praxisteams oder eine Vertrauensperson übernimmt die Mittlerfunktion. In jedem Fall sollten Sprachprobleme bei der Terminvereinbarung angesprochen und nach einer Lösung gesucht werden. Angehörige hingegen sollten nur nach ausdrücklichem Einverständnis des Patienten hinzugezogen werden, da viele sich scheuen, über ihre psychischen Probleme im Beisein eines Familienmitgliedes zu sprechen.“

Je nachdem aus welchem Kulturkreis die Menschen kommen, ist die Stigmatisierung von psychischen Erkrankungen unter Migranten sehr unterschiedlich. Problematisch ist beispielsweise Alkoholsucht unter Muslimen, weil der Konsum von Alkohol im Islam grundsätzlich abgelehnt wird. Ernst zu nehmende psychische Belastungen können sich ebenfalls ergeben, wenn unterschiedliche Ansichten in der Lebensführung zu Konflikten in der Familie führen. Von solchen innerfamiliären Spannungen sind häufiger junge Migrantinnen betroffen, die eine traditionell geprägte Frauenrolle ablehnen. Dieses Konfliktpotential ist eine mögliche Ursache dafür, dass bei jungen Türkinnen die Suizidversuchsrate fast doppelt so hoch ist im Vergleich zum Durchschnittswert in ihrer Altersgruppe. „Häufig gehen Migranten mit psychischen Problemen viel zu spät zu einem Arzt“, so Heinz. „Die häufigsten Gründe sind Scham und Unwissenheit oder auch die fehlende Einsicht, dass es sich bei ihrem Leiden um eine Krankheit handelt, die behandelt werden sollte.“ Um den Betroffenen den Zugang zu Fachärzten sowie therapeutischen oder beratenden Einrichtungen zu erleichtern, sollten sie auf entsprechende Einrichtungen aufmerksam gemacht werden. Dass dies notwendig ist, zeigen Untersuchungen, wonach deutlich weniger Migrantinnen und Migranten eine Psychotherapie erhalten als die deutschstämmige Bevölkerung.Die Pressemeldung der DGPPN ist mit Quellenangabe zur Veröffentlichung freigegeben.Bitte weisen Sie bei Verwendung im Printbereich auf das Informationsportal der DGPPN, www.psychiater-im-netz.de, hin. Bei Online-Veröffentlichung erbitten wir eine Verlinkung auf die Website.