Stress kann Angst erhöhen. Der Glucocorticoidrezeptor für das Stresshormon Cortisol vermittelt verstärkte Angst. Spielen unterschiedliche Zelltypen, in denen er sich findet, dabei eine Rolle? Forscher des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie konnten erstmals nachweisen, dass nicht nur die Hirnregion, sondern auch die Art der Neuronenpopulation eine entscheidende Rolle spielt. Diese Erkenntnis liefert einen neuen Ansatzpunkt zur Behandlung von Angststörungen.
Rund 20 Prozent der Bevölkerung erkranken irgendwann in ihrem Leben an einer Angststörung. Sehr häufig ist eine erhöhte Ängstlichkeit auch Begleiterscheinung anderer psychiatrischer Erkrankungen. So haben 60 bis 70 Prozent aller Menschen, die an einer Depression leiden, auch Probleme mit vermehrter Angst.
Forscher wissen, in welchen Hirnregionen die Angst sitzt, zum Beispiel in der Amygdala, dem sogenannten Mandelkern. Sie wissen auch, dass Stress Angst erhöhen kann. Eine wichtige Erkenntnis, denn viele der Grunderkrankungen, die mit verstärkter Angst gekoppelt sind, sind ebenfalls Stress-bedingt.
Was die Forscher bisher nicht wussten ist, ob ein bestimmter Zelltyp im Gehirn für verstärkte Ängstlichkeit verantwortlich ist. Der Hauptrezeptor für das Stresshormon Cortisol, der Glucocorticoidrezeptor, vermittelt verstärkte Angst. Doch welcher Typ von Nervenzellen vermittelt diesen Effekt? Wird der Botenstoff Glutamat von den Nervenzellen gebildet, agieren diese erregend, während Nervenzellen mit dem Botenstoff GABA neuronale Aktivität hemmen. Dieser Thematik gingen Wissenschaftler um Mathias Schmidt am Max-Planck-Institut für Psychiatrie nach.
Im Mausmodell schaltete Schmidt mit seinem Team den Glucocorticoidrezeptor entweder nur in der erregenden, glutamatergen Zellpopulation oder in hemmenden, GABAergen Nervenzellen aus. Die jetzt in der renommierten Zeitschrift "Molecular Psychiatry" publizierten Ergebnisse zeigen: Nur Mäuse, in denen der Glucocorticoidrezeptor in glutamatergen Neuronen ausgeschaltet war, hatten weniger Angst. Die andere Gruppe mit einer Manipulation in GABAergen Neuronen zeigte keinen Effekt auf die Angst. Die Art der Zellpopulation scheint also entscheidend für die Entstehung von Stress-induzierter Angst.
Differentielle Betrachtung von Angst und Furcht
In einem zweiten Schritt betrachteten die Forscher einen kleineren Bereich im Gehirn, nämlich ausschließlich die Amygdala. Hier konnten die Ergebnisse noch weiter aufgeschlüsselt werden und eine Funktion des Glucocorticoidrezeptors speziell auf das Furchtgedächtnis nachgewiesen werden.
Furcht ist das Gefühl einer konkret fassbaren Bedrohung, während sich der Begriff Angst auf eine diffuse Bedrohung bezieht.
Besonders interessant war es für die Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, dass die Effekte von Stress-induzierter Angst und Furcht unterschiedlichen Hirnregionen zugeordnet werden können. Diese Erkenntnis liefert wertvolle Hinweise für eine differenzielle Behandlung von Angst und Furcht.
Noch wichtiger ist das gewonnene Verständnis, dass außer der Hirnregion auch der Typ der Zellen entscheidend ist. Auch das ist für die Behandlung von Angststörungen wichtig, liefert es doch einen Ansatzpunkt, welche Schaltkreise konkret für Angst zuständig sind, wo also medikamentös am besten angesetzt werden sollte.
Quelle: Max-Planck-Institut für Psychiatrie