„Studien haben gezeigt, dass der oder die Pflegende oft gleiche oder sogar höhere Werte psychischer Belastung zeigt als der Kranke selbst. Bedeutsame psychosomatische Symptome finden sich bei pflegenden Angehörigen in 15 bis 50 Prozent der Fälle“, erklärt Dr. Klaus Hönig, Leiter der Konsiliar- und Liaisonpsychosomatik der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm. Im Vergleich dazu leiden 20 bis 30 Prozent der an Krebs erkrankten Patienten an psychischen Störungen, wobei die Zahlen mit fortschreitender Erkrankung ansteigen. Entsprechend dieser Belastungswerte lassen sich mittlerweile auch veränderte Hormonspiegel nachweisen. Gemeinsam mit der Universität Leipzig erforscht der DGPM-Experte, inwieweit sich die psychische Bewältigung von Krebserkrankungen auf die Beziehung zwischen dem Erkranktem und dessen Partner sowie den Behandlungsverlauf selbst auswirkt. „Dabei haben wir festgestellt, dass die Qualität der gemeinsamen Krankheitsbewältigung von Patienten und pflegenden Angehörigen eine zentrale Rolle für den Krankheits- und Behandlungsverlauf des Pflegebedürftigen spielt und somit auch die psychische Gesundheit der Pflegenden zunehmend in den Blick gerät“, so Hönig.
Der Experte rät dazu, Alarmsignale wie Gereiztheit, Ängste, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Erschöpfung und sozialen Rückzug zu beachten. Ärzte, die den Erkrankten behandeln, nähmen derartige Belastungen bei pflegenden Angehörigen oft nicht ausreichend wahr: „Wenn die Anzeichen auftreten, hat die psychische Belastung jedoch schon ein Ausmaß angenommen, bei dem ich dazu rate, psychosoziale Beratung, Begleitung oder auch psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen.“ Die DGPM empfiehlt in diesem Fall, die Pflegenden spürbar zu entlasten. Dies leiste beispielsweise die sogenannte Brückenpflege, also die zeitweise Pflege durch ausgebildete Kräfte. Auch Psychosoziale Beratungsstellen und Psychoonkologische Dienste bieten Unterstützung an.
Ein Grund für die psychische Belastung von Pflegenden sei häufig ein Mangel an Kommunikation. „Der Patient will nicht zur Last fallen und der Pflegende möchte dem Patienten nicht das Gefühl geben, eine eben solche zu sein. Daraus entsteht ein Netzwerk gegenseitiger Rücksichtnahme, in dem Vieles unausgesprochen bleibt.“ Eine klare und deutliche Ansprache der eigenen Belastungen, Wünsche und Bedürfnisse könne dieser Sprachlosigkeit entgegenwirken. Entscheidend sei auch, dass der Pflegende sein eigenes Leben nicht in Gänze zurückstelle, denn dies helfe auch dem Erkrankten nicht. „Die Krankheit darf das Leben des Pflegenden nicht dominieren. Es ist wichtig, die eigene Belastung wahrzunehmen, sich Ruhezeiten zu gönnen und dafür auch aktiv Unterstützung einzufordern“, sagt Hönig.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM)