An der Uni Witten/Herdecke wird das Verhalten von Demenzkranken erforscht – unter anderen um Pflegende von Demenzkranken besser zu unterstützen. Juniorprofessorin Margareta Halek versucht zu klären, was die Demenzerkrankten beispielsweise zum „Wandern“ oder ständigen Rufen antreibt. Meist sind derartige Verhaltensweisen in der individuellen Biografie der Menschen zu finden. Die Professur hat das Ziel, die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu fördern und den Umgang mit herausforderndem Verhalten zu verbessern.
Stundenlanges monotones Rufen: „Hallo!“, „Hallo!“, „Hallo!“, unvermitteltes Aufstehen und wieder Hinsetzen, klopfen auf den Tisch, wiederholtes Weglaufen, Schlagen oder auch schlicht apathisch dasitzen – die Formen von herausforderndem Verhalten, wie es die Forscher nennen, sind vielfältig. Juniorprofessorin Dr. Margareta Halek ist Pflegewissenschaftlerin an der Universität Witten/Herdecke (UW/H) und erforscht diese Ausdrucksformen der Menschen mit Demenz, die viele Pflegende und Familienangehörige an Belastungsgrenzen bringt. „Wir sehen dieses Verhalten als eine Mitteilung, die wir erst mal nicht verstehen und mühsam entschlüsseln müssen. Aus Sicht der Menschen mit Demenz sind diese Ausdrucksformen eine Reaktion auf das, was in der Umgebung im Zusammensein mit anderen passiert“, erklärt Prof. Halek den Forschungsansatz.
Kleine Veränderungen im Umfeld können problematische Situationen entschärfen
Und als Konsequenz daraus ergeben sich mögliche Formen des Umgehens damit: Herauszufinden, was den Menschen mit Demenz vermutlich umtreibt und darüber seine Situation zu ändern. In vielen Fällen muss sich das Umfeld ändern, um demenzbedingten Einschränkungen zu begegnen. „Nach allem, was wir wissen, ändert sich dann auch das Verhalten des Betroffenen. Aber der Weg ist zugegeben schwierig.“ Denn man muss sich aufwendig mit der Person befassen z. B. mit Biografie, Psyche und Gesundheitszustand des Menschen, um einen Ansatz zu entwickeln. „Bei der Morgenpflege zum Beispiel gibt es ganz oft Krach. Eigentlich nicht verwunderlich. Denn wenn beim Toilettengang, beim Waschen oder beim Zähneputzen stets jemand dabei ist, überschreitet das alle Regeln von Abstand und Intimsphäre“, schildert Halek eine denkbare Situation. Sie empfiehlt, genau hinzusehen: Hat der Mensch früher auch immer geduscht oder wird er lieber mit dem Waschlappen gewaschen? Gibt es Dinge im Bad, die stören? Oder leidet er unter Schmerzen? Das alles können Auslöser für scheinbar unverständliches Verhalten sein. „Dann gibt es Menschen, die immer wieder in Bewegung sind. Das sind oft Menschen, die früher sehr aktiv und bewegungsfreudig waren. Bewegung ist Teil ihrer Identität. Sie in diesem Drang einzuschränken, könnte ein denkbarer Auslöser für z. B. aggressives Verhalten sein.“ Juniorprofessorin Halek rät in so einem Fall die Personen in ihrem Bewegungsdrang nicht einzuschränken und vielmehr das Umfeld so zu gestalten, dass keine Unfallgefahr besteht. Sollte jemand verloren gehen, sind Zettel mit Namen und Wohnort in einer SOS-Kapsel umgehängt, hilfreich. Auch Technikeinsatz wie GPS-Systeme reduzieren die Risiken des Bewegungsdrangs. „Es gibt fast immer einen nachvollziehbaren Grund für die scheinbar grundlosen Reaktionen. Es ist nur sehr langwierig und erfordert fast schon detektivisches Geschick, ihn zu erkennen“, macht sie Mut. Allerdings gibt es auch Situationen, die sich trotz Bemühungen nicht erklären lassen und keine sinnvolle Maßnahme ergriffen werden können. Hier benötigen dann insbesondere Pflegende und Angehörige Unterstützung, wie mit Hilflosigkeit umzugehen ist. Geeignete Entlastungsangebote sind ebenfalls wichtig sowie die Möglichkeit zur Reflexion zu haben und Gespräche führen zu können. Für den Umgang mit akuten Situationen wie zum Beispiel Aggressionen ist das Erlernen von Deeskalationstechniken hilfreich.
Juniorprofessorin Halek hat eine Ausbildung als Altenpflegerin absolviert und im Beruf gearbeitet, bevor sie an der Universität Witten/Herdecke Pflegewissenschaft studierte. Nach Bachelor, Master und Promotion übernahm sie 2009 die Leitung der Forschungsgruppe Versorgungsinterventionen und wurde stellvertretende Standortsprecherin am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen. Seit 2016 ist sie Juniorprofessorin für Pflegewissenschaft, Schwerpunkt Pflege von Menschen mit Demenz am Department für Pflegewissenschaft, Universität Witten/Herdecke
Quelle: Universität Witten/Herdecke