Angsterkrankungen wie die Soziale Angststörung, spezifische Phobien oder auch die Panikstörung gehen mit verschiedenen körperlichen Beschwerden einher und können darüber hinaus für Betroffene sehr belastend sein. In der Regel kommt es zu einer Erwartungsangst („Angst vor der Angst"), und es werden Angst auslösende Orte oder Situationen vermieden. Als Folge ziehen sich die Betroffenen immer mehr aus dem Leben zurück, leiden unter mangelnden Vertrauen in die eigene Stärke und unter dem Gefühl des Ausgeliefertseins. Die Lebensgestaltung kann erheblich beeinträchtigt sein.
Nach der Lerntheorie begünstigen negative Lernerfahrungen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Ängsten. Angst hinterlässt Spuren im Gehirn und beeinflusst die Gedächtnisbildung sowie auch die Erwartungshaltung auf subjektiv empfundene Bedrohungen. Ein etablierter Behandlungsansatz ist daher, die Betroffenen mit dem angstauslösenden Stimulus unter kontrollierter, therapeutischer Begleitung zu konfrontieren. Dadurch kommt es zu einer Konfrontation mit dem Angsterleben, wie beispielsweise den eigenen Gefühlen von Hilflosigkeit, unangenehmen Körperempfindungen oder auch Kontrollverlustängsten. Die Konfrontation erfolgt dabei letztlich mit sich selbst. Der Patient erlebt die Angst dabei zunächst sehr ausgeprägt, merkt dann aber, dass sie mit all ihren Begleiterscheinungen von selbst wieder nachlässt und kontrollierbar wird.
Ängste zeigen im Gehirn spezielle Muster
Für diese Herangehensweise ist stets die Konfrontation mit dem angstauslösenden Stimulus notwendig, was in der Praxis jedoch nicht immer einfach zu bewerkstelligen ist. Wissenschaftler um Hakwan Lau überlegten sich deshalb einen speziellen Versuchsaufbau und überprüften ihn in einer kleinen Studie, die in „Nature Human Behaviour“ (2016; doi: 10.1038/s41562-016-0006) veröffentlicht wurde. Sie konditionierten 17 Versuchspersonen dazu, Angst beim Anblick eines speziellen Symbols zu entwickeln. Die Angstreaktion wurde künstlich hervorgerufen, weil die Probanden immer beim Erscheinen eines bestimmten Symbols unangenehme leichte Elektroschocks bekamen. Dies führte dazu, dass allein der Anblick des Symbols eine Angst- und Stressreaktion bei den Personen auslöste. Gleichzeitig wurde die Aktivität des Gehirns gemessen. Die Forscher setzten hierfür ein spezielles Verfahren ein, welches sie als „Decoded Neurofeedback“ bezeichnen. Dabei werden Algorithmen verwendet, welche die Hirnaktivität des Sehkortex dekodieren. Dies ermöglichte es, spezielle Aktivitätsmuster im visuellen Kortex der Versuchspersonen herauszufiltern, die immer dann auftraten, wenn die Teilnehmer mit dem vermeintlich bedrohlichen Symbol konfrontiert wurden.
Angstmuster treten auch ohne angstauslösenden Reiz unterbewusst auf
Die speziellen Aktivitätsmuster wurden im nächsten Schritt dazu verwendet, um den Probanden die erlernte Angst wieder abzugewöhnen. Hierfür wurden die Versuchsteilnehmer erneut eingeladen, um an drei aufeinanderfolgenden Tagen andere Aufgaben auszuführen, während bei Ihnen gleichzeitig die Hirnaktivität abgeleitet wurde. Immer wenn sich die speziellen Aktivitätsmuster im visuellen Kortex der Teilnehmer zeigten, bekamen sie eine kleine monetäre Belohnung. Die typischen Muster einer Angstreaktion im Hirn traten selbst dann auf, wenn die Probanden gerade keine Aufgabe lösten und völlig in Ruhe waren. Die Personen wussten zwar, dass die Belohnung mit ihrer Hirnaktivität zusammenhin, der genaue Zusammenhang war Ihnen aber unbekannt.
Gezielte Belohnungen überschreiben Ängste im Gedächtnis
Die Angstreaktion, die das Symbol zuvor ausgelöst hatte, war nach den drei Tagen verschwunden. Wurden die Teilnehmer nun mit dem ehemals angstauslösenden Symbol konfrontiert, blieb das „Angstzentrum stumm“ und es konnten keine körperlichen Angstsymptome mehr gemessen werden. Der Versuchsaufbau hatte es tatsächlich ermöglicht, die zuvor erlernte Angsterinnerungen der Versuchsteilnehmer zu überschreiben, indem die spezielle Hirnaktivität, die mit der Angstreaktion einherging, schlicht mit einer angenehmen Belohnung verknüpft wurde.
Die Forscher hoffen, dass diese Erkenntnisse eines Tages die Therapie von Angststörungen oder der Posttraumatischen Belastungsstörungen verbessern könnte.
Quellen Deutsches Ärzteblatt, Nature Human Behaviour 1, Article number: 0006 (2016), doi:10.1038/s41562-016-0006 (http://www.nature.com/articles/s41562-016-0006)