Die Berufsverbände der Nervenärzte, Internisten, Gynäkologen, Pädiater, HNO-Ärzte und Hausärzte sowie viele andere ärztliche Organisationen werden eine vom Spitzenverband der Krankenkassen (GKV) geforderte Honorarkürzung für das Jahr 2013 auf keinen Fall akzeptieren – vielmehr unterstützen sie die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vorgeschlagene Honoraranpassung. Für den Fall, dass der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) tatsächlich die Vergütungen für ärztliche Leistungen kürzt, planen die Ärzte gemeinsame Aktionen. Hintergrund ist ein aktuelles Gutachten, das der GKV-Spitzenverband beim Forschungsinstitut Prognos in Auftrag gegeben hatte und das belegen soll, dass die Einkommen in den Arztpraxen in Deutschland seit 2008 zu stark gestiegen sind. Als Konsequenz haben die Krankenkassen nun eine Absenkung der ärztlichen Vergütung gefordert. „Wir halten das Vorgehen der Krankenkassen nicht nur für skandalös, sondern auch für rechtswidrig. Bereits jetzt ist es so, dass viele Ärzte deutlich mehr Zeit in die Behandlung ihrer Patienten investieren, als dies im Budget vorgesehen ist. Zukünftig sollen wir auch noch dafür das finanzielle Risiko tragen, wenn Patienten öfter zum Arzt müssen – und das ist in einer älter werdenden Gesellschaft absehbar. Genau deshalb wurde dieses so genannte Morbiditätsrisiko auch vom Gesetzgeber von den Ärzten auf die Krankenkassen übertragen. Eine Umkehr von dieser Position werden wir nicht akzeptieren – die Forderung nach Honorarkürzung bei gleichzeitig steigender Arbeitsbelastung ist absurd“, kritisiert Dr. Wolfgang Wesiack, Präsident des Berufsverbandes Deutscher Internisten (BDI), der mit über 24.000 Mitgliedern Europas größter Facharztverband ist.
Ärzte erwägen Praxisschließungen
Auch bei anderen Vertretern der Ärzteschaft stößt das Vorgehen der Krankenkassen auf Unverständnis. „Mehr als zwei Drittel unseres medizinischen Nachwuchses sind Frauen. Und viele in dieser zukünftigen weiblichen Ärztegeneration wünschen sich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Zahl der Einzelpraxen wird abnehmen – und damit auch die Praxisdichte – insbesondere in ländlichen Regionen. Politik, Ärzte und auch Krankenkassen sollten eigentlich gemeinsam daran arbeiten, Lösungen zu finden, um auch zukünftig eine flächendeckende medizinische Versorgung in Deutschland sicherzustellen. Stattdessen wird erneut öffentlich mit Honorarkürzungen gedroht. Das ist keine Motivation dafür, sich mit einer eigenen Praxis niederzulassen - im Gegenteil. Sollte sich ein solches Szenario realisieren, werden wir auch bereit sein, flächendeckend nur noch das Ausreichende, Zweckmäßige, Wirtschaftliche und das Maß des Notwendigen nicht Überschreitende nach SGB V zu erbringen, was zu langen Wartezeiten führen wird“, warnt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte (BVF). Auch bei den Pädiatern stehen die Zeichen auf Sturm. Vor allem der von den Krankenkassen aus dem Gutachten formulierte geringe Leistungszuwachs in den Praxen verärgert die Kinder- und Jugendärzte. „Die Anforderungen an die niedergelassenen Pädiater in Deutschland sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Immer mehr Kinder, aber auch Jugendliche werden mit seelischen Erkrankungen, Entwicklungsstörungen und auch motorischen Defiziten in unseren Praxen vorstellig. Unser Berufsverband hat daher intensiv daran gearbeitet, neue Konzepte zu entwickeln, um diese neuen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter frühzeitig erkennen und behandeln zu können. Das erfordert natürlich auch ein großes Engagement jedes einzelnen Pädiaters - auch bei der Fort- und Weiterbildung. Manche Kassen hingegen sind sehr zögerlich, wenn es darum geht, diese neuen Konzepte auch für ihre kleinen Versicherten anzubieten. Noch immer gibt es Krankenkassen, die diese wichtigen Vorsorgen nicht erstatten.
Vor diesem Hintergrund sind die Forderungen nach Honorarkürzungen bei den Leistungserbringern gar nicht zu verstehen“, kritisiert Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.
„Die Behandlung von dementen Patienten und die Zunahme von seelischen Erkrankungen der alternden Bevölkerung ist schon jetzt in der Praxis kaum zu bewältigen – die Honorare bilden den notwendigen Zeitaufwand gerade auch bei dieser Patientenklientel überhaupt nicht ab. Wer solche Forderungen öffentlich formuliert, ist von der Realität in den Arztpraxen weit weg“, schildert Dr. Frank Bergmann, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte, die Situation für die niedergelassenen Neurologen und Psychiater. Viele andere Ärzteverbände haben sich diesem Protest inzwischen angeschlossen.
Auch für die Hausärzte in Deutschland ist das ein klares Signal:
„Den Verantwortlichen im Erweiterten Bewertungsausschuss muss klar sein, dass die niedergelassenen Ärzte in Deutschland gemeinsam protestieren werden, sollten die rechtswidrigen Forderungen der Kassen Gehör finden. Die beabsichtigte Honorarsenkung bringt mit sich, dass eine flächendeckende hausärztliche Versorgung nicht mehr möglich sein wird und konterkariert alle Anstrengungen, eine Niederlassung in unterversorgten Strukturgebieten attraktiv zu machen . Und das bedeutet im Klartext, dass der Spitzenverband der Krankenkassen riskiert, dass viele Praxen in Deutschland geschlossen sein werden – bei Fach- und Hausärzten“, warnt Dr. Burkhard Zwerenz, Landesvorsitzender des Hauärzteverbandes in Rheinland-Pfalz.
Unterzeichner:
Berufsverband Deutscher Internisten (BDI), Berufsverband der Frauenärzte (BvF), Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Berufsverband der HNO-Ärzte, Hausärzteverband Rheinland- Pfalz, Berufsverband Deutscher Nervenärzte (BVDN), Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN), Berufsverband Deutscher Psychiater (BVDP), Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA), Bundesverband der Pneumologen (BdP), Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK), Berufsverband Deutscher Rheumatologen (BDRh)