Dass Rauchen süchtig macht, ist offenbar auch genetisch bedingt. Eine Schlüsserolle spielt dabei eine Region im Zwischenhirn, die die Forscher Habenula (lat. für kleine Zügel) nennen. Das haben jetzt Dr. Inés Ibañez-Tallon und ihre Mitarbeiter vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch zeigen können und den Mechanismus, der zur Sucht führt, erhellt.
Rauchen fordert jedes Jahr nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisaton WHO weltweit etwa fünf Millionen Tote. Viele von ihnen sterben an Lungenkrebs. „Vor zwei Jahren haben Studien gezeigt, dass genetische Veränderungen in einem bestimmten Gencluster Risikofaktoren für Nikotinabhängigkeit und Lungenkrebs sind“, betont Dr. Ibañez-Tallon. Licht in diesen Mechanismus konnten die MDC-Forscherinnen jetzt in Zusammenarbeit mit dem Pasteur Institut in Paris, Frankreich, und der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau, Russland, bringen.
Sie untersuchten einen spezifischen Rezeptor für den Botenstoff (Neurotransmitter) Aceytlcholin, der von diesem Gencluster gebildet wird, in Eizellen des Krallenfrosches (Xenobus laevis) sowie in transgenen Mäusen. Dieser Acytylcholinrezeptor wird unter anderem bei Rauchern von Nikotin aktiviert. Das Gencluster besteht aus drei Untergruppen, sprich drei Genen. „Obwohl es in der DNA jeder Zelle vorhanden ist, wird der Rezeptor nur in ganz wenigen Regionen des Gehirns ausgebildet. Eine davon ist die Habenula“, erläutert Dr. Ibañez-Tallon.
Ein Gen dieser Untergruppe ist alpha5. „Es ist bekannt, dass starke Raucher eine Punktmutation in diesem Gen haben. „Sie laufen eher Gefahr nikotinabhängig zu werden und Lungenkrebs zu entwickeln, als Menschen, die diese Genmutation nicht haben.“, sagt Dr. Ibañez-Tallon. Ein zweites Gen in dieser Untergruppe des Rezeptors ist das Gen beta4. Starke Aversion gegen Nikotin
In transgenen Mäusen aktivierten die Forscherinnen das beta4 Gen, und es zeigte sich, dass diese Mäuse eine starke Aversion gegen Nikotin haben: Sie tranken nur Wasser ohne Nikotin. Schalteten sie in diesen Mäusen jedoch mit Hilfe eine Virus die mutierte Variante des alpha5-Gens an, hatten diese Mäuse bereits nach zwei Wochen ihren Widerwillen gegen Nikotin überwunden und tranken nur noch nikotinhaltiges Wasser. Dr. Ibañez-Tallon und ihre Mitarbeiter kommen deshalb zu dem Schluß, dass nur eine ausbalancierte Aktivität dieser beiden Gene den Nikotinverbrauch zügelt. Literatur: Neuron, 12. Mai 2011, Vol. 70, Issue 3, pp: 522-535; DOI 10.1016/j.neuron.2011.04.013Quelle: Informationsdienst Wissenschaft (idw)