In Ihrem „Arztreport 2013“ beklagt die Barmer Ersatzkasse eine Zunahme der ADHS-Diagnosen und sieht die Schuld daran bei Eltern, Lehrern und Ärzten. „Das ist scheinheilig!“ reagiert der Vorsitzende des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland (bkjpp), Dr. Maik Herberhold in Köln und verweist darauf, daß bislang nur zwei Krankenkassen (nicht die Barmer) in zwei Regionen den existierenden Vertrag zur Verbesserung der Versorgung von ADHS-Patienten unterschrieben hätten. In diesem Vertrag wird eine Verbesserung der Diagnostik und Therapie durch Teambildung von Kinder- und Jugendpsychiatern und –psychotherapeuten, Kinderärzten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten geregelt.ADHS ist keine eingebildete Krankheit, sondern wissenschaftlich sowohl hinsichtlich der Symptomatik, als auch hinsichtlich einer Reihe von Ursachen und der Therapie gesichert. Die Autoren des Reports sehen allerdings vor allem die „Erwartungshaltungen der Eltern“, nicht verbesserte diagnostische Möglichkeiten als Ursache für die Zunahme der Diagnosen an. „Das kommt einer Gleichsetzung der Patienten und ihrer Angehörigen mit Hypochondern gleich.“ empört sich Dr. Herberhold. „Viele Kinder und Jugendliche, die früher sozial und in der Schule scheiterten und dann mit Depressionen, Sucht oder auch Kriminalität für verpasste Therapie büßten, können heute durch frühzeitige Behandlung vor den nachgewiesenen Spätfolgen einer nicht behandelten ADHS bewahrt werden! Die Pflicht der Krankenkassen wäre es da, existierende Kooperationsmodelle zu unterstützen. Der Versuch, Krankheitskosten durch Beschimpfung und Schuldzuschreibung an die Adresse der Angehörigen, oder die Charakterisierung der Krankheit als Unterschichtenphänomen zu senken, ist eine beispielloser Rückfall in finstere Zeiten der Stigmatisierung psychisch Kranker.“Herberhold bezieht sich auf den KBV-Mustervertrag, der bislang nur in Baden-Württemberg und Bremerhaven von zwei Krankenkassen umgesetzt wurde. Ziel des Vertrages ist eine Verbesserung der Genauigkeit von ADHS-Diagnosen und die Schaffung erweiterter Therapiemöglichkeiten durch die intensive Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendpsychiatern und –psychotherapeuten, Kinderärzten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Dieser Vertrag ist in dieser Form einmalig und soll insbesondere auch die von der Barmer Ersatzkasse zu recht geforderten, aber in der Realität nicht finanzierten nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten wie Elterntrainings und Gruppentherapien stärken.Es stimmt: nicht jedes zappelige, unaufmerksame oder impulsive Kind hat ADHS. Deshalb legt das Konzept der KBV-Vertragswerkstatt ein besonderes Augenmerk auf die Diagnostik und Differenzialdiagnostik, damit nur die Kinder therapiert werden, die auch wirklich an ADHS leiden. Das Ziel ist, in Frage kommende Patienten zu identifizieren und diese schnell, zielgerichtet und leitlinienorientiert von qualifizierten Vertragsärzten und Psychotherapeuten behandeln zu lassen.„Sollte der Arztreport der Barmer ein erstes Zeichen des Umdenkens seitens der Krankenkasse hinsichtlich der Wichtigkeit einer kooperativen und vielfältigen ADHS-Therapie bedeuten, begrüßen wir dieses. Dazu hätte es aber nicht eines grobschlächtigen ‚Eltern-Bashing‘ bedurft – wir sind gerne bereit, erneut mit den Krankenkassen in einen wissenschaftlich fundierten Dialog zur Verbesserung der Versorgung einzutreten. Der Barmer GEK stünde es nun gut an, hierzu bundesweit Vorreiter zu werden.“ appelliert Dr. Herberhold.Pressemitteilung BKJPP