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Reform des Maßregelrechts bundesweit einheitlich regeln

Pünktlich zum Beginn des Wiederaufnahmeverfahrens im Fall Mollath ist Bewegung in die dringend notwendige Reform des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gekommen: Mitte Juni hat Bayerns Justizministerium einen Gesetzesentwurf zur Reform des zugrunde liegenden Strafrechtsparagraphen vorgestellt. Aus anderen Bundesländern liegen Vorschläge zur Reform des Maßregelvollzugs in entsprechenden Landesgesetzen vor. Diese greifen wichtige Impulse der DGPPN auf und weisen in die richtige Richtung. Doch in zentralen Punkten besteht zusätzlich Handlungsbedarf – gerade im Hinblick auf die bundesweit einheitliche Gestaltung des Maßregelvollzugs. Die DGPPN hat deshalb am 9. Juli 2014 zu einer weiteren Expertenrunde der Initiative Maßregelreform geladen.

Im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus werden psychisch kranke oder suchtkranke Straftäter untergebracht, die zum Zeitpunkt der Tat nicht oder nicht vollständig schuldfähig waren. Ziele der so genannten Maßregeln sind die Besserung und Sicherung dieser Menschen. Ein weiteres Ziel ist die Resozialisierung der straffällig gewordenen Menschen. Die Einrichtungen des Maßregelvollzugs gehören zum Bereich der Forensischen Psychiatrie und Psychotherapie. Hier war Gustl Mollath bis zur Entscheidung für die Wiederaufnahme seines Verfahrens Patient.

Die DGPPN sieht seit mehreren Jahren erheblichen und dringenden Reformbedarf im forensisch psychiatrisch-psychotherapeutischen Maßregelvollzug. Regelungsbedarf besteht vor allem:

• bei den rechtlichen Rahmenbedingungen (z.B. Landesgesetze zum Maßregelvollzug bezüglich der Dauer von Unterbringungen und Gutachterfristen),

• bei der Qualität der forensischen Gutachten im Hinblick auf Diagnose, Gefährlichkeitsprognose und Risikoabschätzung,

• bei der Verbesserung und Qualitätssicherung in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung psychisch kranker Straftäter und den hierfür zur Verfügung zu stellenden Ressourcen und Kompetenzen.

Bereits 2011 hat die DGPPN einen Appell zur Reform des Maßregelvollzugs an die Politik gerichtet. 2013 hat die Fachgesellschaft die Initiative Maßregelreform ins Leben gerufen. Diese arbeitet unter Einbezug der politischen, juristischen und fachärztlichen Experten auf die Reform des Maßregelrechts hin – mit dem Ziel die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Erfordernisse der Behandlung im Maßregelvollzug bundesweit einheitlich anzupassen. In einer Stellungnahme wies die Fachgesellschaft im letzten Sommer auf die zentralen Aspekte hin, die es bei der bundesrechtlich zu regelnden Reform von § 63 StGB zu berücksichtigen gilt.

Inzwischen liegen überarbeitete Gesetzesentwürfe einzelner Bundesländer vor, die insbesondere die Voraussetzungen von Behandlungen neu regeln. Dabei wird das Prinzip des Respekts vor der Patientenautonomie gestärkt, was sehr zu begrüßen ist. So hat das Bayerische Justizministerium Ende Juni 2014 einen Vorschlag zur Neuregelung des bundesrechtlich geregelten § 63 StGB vorgestellt, in dem es wichtige Impulse der DGPPN aufgreift. Besonders begrüßenswert ist, dass das Gesetz mehr Transparenz in die strafrechtliche Unterbringung bringen will. So sollen u.a. maßstabbildende Beispielsfälle in die Regelungen einfließen. Bei der jährlichen gerichtlichen Entscheidung über die Frage, ob eine Unterbringung weiter vollstreckt wird, will Bayern die Verhältnismäßigkeit der Unterbringung schärfen und bei einer Dauer von mehr als sechs Jahren an die weiterhin bestehende Gefährlichkeit des Untergebrachten knüpfen. Auch in puncto Gutachten sind Änderungen geplant: Die Frist für die Einbeziehung externer Sachverständiger bei den regelmäßigen Entscheidungen über die Fortdauer der Unterbringung soll von fünf auf grundsätzlich drei Jahre verkürzt werden. Die DGPPN hat wiederholt dafür plädiert, die Unterbringung gemäß § 63 StGB an die individuelle Gefährlichkeit zu knüpfen und sich für eine höherfrequente, einheitliche Begutachtungsfrist ausgesprochen. Diese sichtbaren Reformbemühungen müssen gezielt fortgesetzt werden.

Die Gesetze und Gesetzesentwürfe aus den Bundesländern legitimieren eingreifende Grundrechtseinschränkungen bei den betroffenen Patienten. Aus Sicht der DGPPN ist daher unbedingt eine weitgehende Harmonisierung der Ländergesetze erforderlich – Eingriffe in Menschenrechte dürfen nicht Ländersache sein. Therapie als Garant für die erfolgreiche Arbeit des Maßregelvollzugs ist dabei bislang nicht ausreichend berücksichtigt. Die Unterbringung dient mit ihrem Auftrag der Besserung und Sicherung dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren schweren Straftaten. Damit kommt der psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung der eingewiesenen Patienten maßgebliche Bedeutung für die Rückfallprophylaxe zu. Nach einer Behandlung kommt es nur selten zu Rückfallstraftaten (etwa fünf Prozent). Diese Therapieerfolge lassen sich jedoch nur mit einer sinnvollen Behandlung mit einer hinreichenden Anzahl von Therapeuten erzielen. Das reformierte Maßregelvollzugsgesetz sollte daher Mindeststandards für die Personalausstattung der forensischen Kliniken definieren. Auch psychisch kranke Straftäter haben ein Recht auf eine optimale Behandlung ihrer Erkrankungen (UN-Menschenrechtskonvention 1948).

Auch im Bereich der Gutachten stagniert die Anzahl der qualifizierten Sachverständigen auf zu niedrigem Niveau. Die DGPPN hatte schon sehr früh das Zertifikat "Forensische Psychiatrie" für Fachärzte eingeführt, dies wurde durch die Weiterbildungsordnungen der Ärztekammern mit dem Schwerpunkt "Forensische Psychiatrie" fortgesetzt. Diese Qualifizierungen und Weiterbildungen müssen zur Sicherstellung der Begutachtungen auf hohem Niveau dringend an Attraktivität gewinnen. Die DGPPN schlägt deshalb vor, die Beauftragung von Sachverständigen zu Fragen der Forensischen Psychiatrie an die Schwerpunktbezeichnung Forensische Psychiatrie bzw. an das DGPPN-Zertifikat Forensische Psychiatrie zu knüpfen. Dieser Vorschlag wurde bisher nicht aufgegriffen.

Quelle: Pressemitteilung DGPPN