Das Stigma psychischer Krankheit lässt sich verringern, wenn die fließenden Übergänge zwischen psychischer Krankheit und psychischer Gesundheit stärker betont werden. Eine aktuelle Studie einer Forschergruppe aus Greifswald, Regensburg, Cagliari (Italien) und New York (USA) zeigt, dass ein einfacher Informationstext zu diesen Übergängen die Einstellungen zu Menschen mit psychischen Krankheiten erheblich verbessert. Die Ergebnisse der Studie wurden im Februarheft der Fachzeitschrift „European Psychiatry“ (http://www.journals.elsevier.com/european-psychiatry/) publiziert.
„Häufig werden die Unterschiede zwischen psychischer Gesundheit und Krankheit betont, es wird so getan als ob es sich um zwei völlig verschiedene Zustände handelt. Tatsächlich sehen wir aber fließende Übergänge.
Epidemiologische Studien zeigen, dass fast alle Menschen einzelne Symptome von psychischen Krankheiten erleben – erst wenn mehrere Symptome zusammenkommen und einen gewissen Schweregrad erreichen, spricht man von einer Krankheit“, so PD Dr. Georg Schomerus von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der Universitätsmedizin Greifswald Er hat die Studie geleitet.
In der Online-Studie legten die Forscherinnen und Forscher insgesamt 1.600 Versuchspersonen entweder einen Text vor, der das Kontinuum von psychischer Gesundheit und Krankheit erklärt, oder einen Text, der die Unterschiede zwischen beiden Zuständen betont. Eine dritte Gruppe erhielt keinen Text. Anschließend beantworteten die Probanden Fragen zu einer Person, die entweder an einer schweren Depression oder an einer Schizophrenie litt. Die Information über das Kontinuum psychischer Gesundheit führte dazu, dass die Versuchspersonen die erkrankte Person als deutlich weniger andersartig wahrnahmen und eher bereit waren, mit der Person in persönlichen Kontakt zu treten.
Stigmatisierung belastet psychische Kranke zusätzlich
„Das Stigma psychischer Krankheit hat sich als sehr hartnäckig herausgestellt. Umso ermutigender ist es, dass wir mit sachlichen Informationen über das Kontinuum psychischer Gesundheit die Einstellungen zu Betroffenen verbessern konnten“, so Studienleiter Schomerus. Tatsächlich zeigen langfristige Untersuchungen in Deutschland und anderen Ländern, dass insbesondere die Ablehnung von Menschen mit schweren psychischen Krankheiten in den letzten Jahren eher noch zugenommen hat. Neue Ansätze bei der Bekämpfung des Stigmas sind deshalb dringend notwendig.
Stigma wird auch als ‚zweite Krankheit’ bezeichnet, weil es eine schwere zusätzliche Belastung für Menschen mit psychischen Krankheiten darstellt. Das Stigma kann Suizidalität verstärken und die Prognose psychischer Krankheiten verschlechtern. Viele Betroffene zögern notwendige Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie Ablehnung und Diskriminierung befürchten. Die Studie wurde finanziert aus Mitteln der Helios Forschungsförderung.
Weitere Informationen:
Artikel: G. Schomerus, M.C. Angermeyer, S.E. Baumeister, S. Stolzenburg, B.G. Link, J.C. Phelan "An online intervention using information on the mental health-mental illness continuum to reduce stigma" www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0924933815006835
Quelle: Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald