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Terrorismus: Verknüpfung mit psychischen Erkrankungen schürt ungerechtfertigt Vorurteile und behindert die Prävention

Britische Wissenschaftler warnen davor, dem psychischen Zustand von Attentätern in den Medien ein zu großes Gewicht zu geben. Eine derartige mediale Thematisierung und Fokussierung könnte der Entwicklung von Vorurteilen gegenüber psychisch kranken Menschen Vorschub leisten.

Britische Wissenschaftler warnen davor, dem psychischen Zustand von Attentätern in den Medien ein zu großes Gewicht zu geben. Eine derartige mediale Thematisierung und Fokussierung könnte der Entwicklung von Vorurteilen gegenüber psychisch kranken Menschen Vorschub leisten. Psychiater um Prof. Kamaldeep Bhui vom Wolfson Institute und Prof. Simon Wessely vom Royal College for Psychiatrists haben dazu im British Medical Journal einen Artikel veröffentlicht (doi:10.1136/bmj.i4869).

Sie sind der Meinung, dass der individuelle Prozess der Radikalisierung in vielen Fällen im Unklaren bleibt, während der politische Hintergrund für terroristische Anschläge oft erklärbar ist. In der medialen Berichterstattung und der öffentlichen Wahrnehmung besteht jedoch die Tendenz, das Verhalten der Attentäter vereinfachend als Folge einer psychischen Erkrankung zu betrachten, was in der Regel eine fehlerhafte Vereinfachung darstellt.

Kein statistischer Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und Terrorakten

Insbesondere bei Einzeltätern wird oft spekuliert, dass eine psychische Erkrankung zu ihren Taten geführt habe. Die individuellen Motive für terroristische Akte seine jedoch meist komplex, haben keine einfache Ursache und entwickeln sich aufgrund eines multifaktoriellen Geschehens. Zwar finden sich bei einem Teil der Einzeltäter auch psychische Erkrankungen. Die Autoren betonen jedoch, dass im Umkehrschluss Störungen der Persönlichkeit und Psyche statistisch nicht mit der Ausübung von Terrorakten verbunden sind. Sie warnen davor, dass die vereinfachende Verknüpfung von psychischer Erkrankung und Kriminalität der Stigmatisierung Millionen psychisch Erkrankter Vorschub leisten könnte und psychische Erkrankungen dabei auch ungerechtfertigt in den Vordergrund rücken würden. Auch könnte die zu starke Fokussierung auf die Persönlichkeit und psychische Verfassung der Täter Trittbrettfahrer ansprechen.

Für eine künftige Berichterstattung rund um dieses Thema schlagen die Autoren die Entwicklung einer freiwilligen Leitlinie vor, an der sich Journalisten orientieren können. Entsprechende Handlungsempfehlungen wurden bereits für die Berichterstattung im Rahmen von Suiziden entwickelt.

Quelle: aerzteblatt.de