Eine Expositionstherapie gegen eine spezifische Angst kann auch andere Ängste mildern. Zu diesem Schluss kommen Psychologinnen und Psychologen der Ruhr-Universität Bochum, die 50 Menschen mit Spinnen- und Höhenangst untersuchten. Obwohl sie nur die Spinnenangst therapierten, reduzierte sich dadurch auch die Höhenangst (siehe Journal Translational Psychiatry, online seit 19.12.2023).
„Eine Angst kommt selten allein“, betont Iris Kodzaga, Erstautorin der Studie, die sie gemeinsam mit einem Kollegen unter der Leitung von Prof. Dr. Armin Zlomuzica aus der Arbeitsgruppe Behavioral and Clinical Neuroscience der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt hat. „Patientinnen und Patienten, die eine Angststörung haben, entwickeln in der Folge häufig eine weitere.“ Die wirksamste Behandlungsmethode ist die Exposition (Konfrontation mit dem Angstauslöser): Die Betroffenen stellen sich unter psychotherapeutischer Begleitung den angstauslösenden Situationen oder Reizen und lernen so, ihre Angst zu bewältigen.
„Lange Zeit ging man davon aus, dass bei mehreren Ängsten entsprechend auch mehrere, auf die Angst zugeschnittene Expositionen nötig sind“, erklärt Kodzaga. Diese Annahme stellt das Bochumer Team nun infrage. Bei 50 Probandinnen und Probanden erhoben die Forschenden die Angst vor Spinnen und die Höhenangst vor und nach einer Expositionstherapie gegen Spinnenangst. Als Maß dienten zum einen subjektive Angaben aus spezifischen Fragebögen für Spinnen- und Höhenangst. Zum anderen ermittelten die Forschenden quantitative Verhaltensmaße, etwa wie nah sich die Teilnehmenden an die Spinnen herantrauten oder wie weit sie einen hohen Kirchturm erklimmen konnten.
Durch die Expositionstherapie gegen Spinnenangst reduzierte sich nicht nur die Angst vor Spinnen, sondern auch die Angst vor der Höhe. Ein signifikanter Effekt zeigte sich sowohl in den subjektiven als auch in den Verhaltensmaßen: Die Höhenangst nahm durch die Exposition mit Spinnen im Durchschnitt um 15 Prozent ab.
„Die Entdeckung, dass eine Exposition gegen Spinnenangst auch Höhenangst reduziert, eröffnet neue Perspektiven für die effiziente Behandlung von Ängsten “, so Iris Kodzaga. „Es könnte bedeuten, dass wir Therapieansätze überdenken und möglicherweise universellere Methoden entwickeln können.“
Wie der Übertragungseffekt von der einen Angst zur anderen zustande kommt, ist bislang unklar. „Assoziative Lernprozesse können den Effekt nicht gänzlich erklären. Der Generalisierungseffekt könnte durch eine Zunahme der Selbstwirksamkeit infolge der Expositionstherapie entstanden sein“, erklärt die Forscherin. „Vielleicht gibt es aber auch einen gemeinsamen Nenner zwischen Spinnen- und Höhenangst, der nicht offensichtlich ist. Das müssen weitere Untersuchungen zeigen.“
Quelle: Ruhr-Universität Bochum