Für ihre Untersuchung zogen die Wissenschaftler eine Stichprobe von 23 Flüchtlingen heran, die sich im Rahmen der ehrenamtlichen psychiatrischen/psychosomatischen Sprechstunde vorstellten und die seit Juli in Dresden ankamen. In der Stadt befinden sich derzeit mehr als 1.700 Flüchtlinge, vorrangig aus Syrien und den umliegenden Krisengebieten. Die ärztliche Behandlung für diese Menschen wurde in der Stadt bereits nach zwei Wochen erweitert und schließt gegenwärtig sechs Stunden pro Woche an psychiatrischer Hilfe ein.
Sprachliche Barrieren erschweren Behandlung
Die sprachliche Barriere beim Umgang mit Flüchtlingen heben Enrico Ullmann, Stefan Bornstein, Julio Licinio und Kollegen als besondere Herausforderung in der psychiatrischen Versorgung hervor. So besteht auch ein Mangel an Dolmetschern – ein klares Hindernis beim Sammeln psychiatrischer klinischer Daten. „Hier hat unsere Arbeitsgruppe vor wenigen Tagen einen Projektantrag namens „SaxMedApp“ beim Freistaat Sachsen eingereicht, um den Ärztinnen und Ärzten zügig eine Lösung an die Hand zu geben“, erläutert Enrico Ullmann. Dabei handelt es sich um eine Applikation (app), die es ermöglicht, audiovisuell anamnestische Angaben digital vor dem Arztkontakt auf einem Tablet zu erfassen.
Verschiedene diagnostische Marker können auf Traumatisierung hinweisen
Zusätzlich suchen die Forscher nach möglichen diagnostischen Markern wie Haarsteroiden oder epigenetischen Kandidaten (FKBP5), die unter Umgehung der sprachlichen Barriere Rückschlüsse auf seelische Traumata zulassen. (Beim Gen FKBP5 handelt es sich um eine Art „Stress-Gen“, das sich offenbar in Folge von Traumatisierungserfahrungen epigenetisch verändern kann, wodurch der Stresshormon-Haushalt dauerhaft beeinflusst werden kann.)
Menschen sind im Hinblick auf psychische Erkrankungen unterschiedlich verwundbar
Ullmann und Kollegen weisen darauf hin, dass auch wenn alle Flüchtlinge Trauma und Stress erfahren, einige für das Entwickeln geistiger Krankheit verwundbarer sind als andere. In Anbetracht beschränkter Mittel empfehlen die Autoren, dass die Behandlung psychischer Erkrankungen besonders auf diejenigen eingestellt werden sollte, die mit größerer Wahrscheinlichkeit eine posttraumatische Belastungsstörung oder eine Depression entwickeln werden. Die Autoren unterstreichen, dass Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren besonders unter der Flucht und den vorgelagerten Kriegs- und Krisenzuständen leiden und eine hohe psychiatrische Aufmerksamkeit erfahren sollten.
Publikation: E. Ullmann, A. Barthel, S. Taché, A. Bornstein, J. Licinio and SR Bornstein: Refugee mental health: challenges and opportunities - Emotional and psychological trauma in refugees arriving in Germany in 2015; in: Molecular Psychiatry, advanced online publication, 3 November2015; doi:10.1038/mp.2015.164
Quelle: Pressemitteilung Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden auf idw